Gewobene Tapeten, Gobelins rc.

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dem die ganze Grandezza seines Ursprungs innewohnt, brauchte man nicbt gerade Kunstwerke zu produciren, sondern dürfte lediglich und füglicher wieder von geringen Anfängen ausgehen. Schöne, geschmack­voll erfundene Verzierungen, deren helle Farben- und Blumenpracht den Sinnen eine heitere Anregung geben, könnten in einer schon für ähnliche Wirkereien eingerichteten Fabrik, weder für den Versuch große Kosten, noch Mühen machen; noch endlich würden sie keinen Absatz finden. Denn solche Behänge haben für unser Klima den Vorzug der Wärme während der Wintcrzcit und des Schutzes vor kalter Zugluft. Im Sommer könnten sie aber abgenommen und zusammen­gerollt aufbewahrt werden.

Insbesondere aber würde dadurch ein neuer Industriezweig ge­weckt werden, in welchen auch die Frauenarbeit gute Verwen­dung finden könnte. Haben wir doch schon erwähnt, daß ehedem vor­nehme Damen sich mit der Herstellung solcher Teppichtapetcn beschäf­tigten. Liest man in O. Spamcr'sNeuem Buche der Erfindun­gen und Gewerbe" (S. 241 ff.) die Herstellung der Gobelins auf tiefschäftige (KU886Ü886) und hochschäftige (Kewl6l>886) Art, so wird man finden, daß zu dieser Arbeit keine Anstrengung der Kräfte, sondern Fingerfertigkeit, ein großer Grad von Geduld und Ausdauer, nebst einem kunstgeübten Auge nöthig ist, alles Eigenschaften, die Frauennaturcn haben, oder erwerben und einüben können. Jedenfalls aber können Mädchen hicbei die vielen farbigen Einschlagfäden auf Flieten (runde Hölzchen) aufspulen, in dem Farbenkasten ordnen und zu bequemem Gebrauche zurechtlegen. Denn bei dieser Art Arbeit, die sich damit beschäftigt, die Werke des Malers bis in die kleinsten Einzclnheiten treu wiederzugeben, muß der Farbekasten der Gobelins, wo keine Mischung stattfinden kann, den größten Reichthum an Far­ben und deren Schattirungen enthalten.

Es liegt am Tage, daß dieser Zweig der Weberei mehr als irgend ein anderer den Namen einer Kunst in Anspruch nimmt. Wenn das reichste Muster in der Seidenweberei eine große Aufmerk­samkeit zu seiner Herstellung bedarf, so hat doch der Jacquardstuhl eben diese Herstellung mechanisch gemacht; der Gobelinweber aber ist wirklich Maler. Er schafft mit seinen Fäden ein Kunstwerk, für welches es allein in seiner Hand und in seinem Auge liegt, wie viel Fäden der Kette er zu dieser oder jener Farbe zu verwenden, wie er die Schattirungen wählen will rc. Man nannte in Frank­reich die Tapetenwirker auchurti8t68-0uv'rj6r8". Durchschnittlich machte ein tüchtiger Arbeiter täglich 6 Quadrat-Zoll fertig. An größeren Gemälden arbeitete ein Mann 5, ja 10 Jahre. In­dessen können oft 5, 6 oder mehrere Personen an Einem Stücke arbeiten. Man rechnet, daß ein Weber im Laufe eines Jahres eine Fläche mit 3 Fuß Länge und 3 Fuß Höhe vollenden kann, und eine solche Fläche kommt etwa auf 800 Thaler zu stehen.