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Verfertigung türkischer Teppiche.

105. Die Verfertigung türkischer Teppiche. Die so sehr geschätzten Teppiche von Smyrna und Caramanien geben besonders Zeugniß davon, was weibliches Geschick und Talent hervorzubringen im Stande sind; denn dieselben werden nur von Frauen gewoben.

Zu Uschek in Kleinasien, im Paschalik Kutajeh, werden diese, bei uns unter der Benennung smyrnaischer oder türkischer bekannten Teppiche hauptsächlich und zwar lediglich von Frauen verfertigt. Die männliche Bevölkerung von Uschek ist ausschließlich mit dem Acker­bau beschäftigt, und nach der Ernte wird fast den ganzen Tag in den zahlreichen Kaffeeschenken der Stadt zugebracht, während die Frauen zu Dause bleiben und sich mit der Verfertigung von Teppichen be­schäftigen (ähnlich so, wie es bei uns in Deutschland an manchen Orten zu sein pflegt). Die Wolle zu diesen Teppichen wird mei­stens von den Kurden geliefert, deren unermeßliche Schäfereien die Berge bedecken, und die jedes Jahr zu bestimmten Zeiten in die Ebenen herabsteigen, um die Stadt mit Wolle zu versehen. Die Rei­chen kaufen die Wolle und verkaufen sie dann wieder auf Credit, natürlich mit wucherischem Aufschlag, an die Aermeren. Diese Wolle wird zuerst in fließendem Wasser von den Frauen gewaschen, wodurch sie die Hälfte ihres Gewichtes verliert; dann sorgfältig kartätscht und gesponnen. I» dieser Gestalt kommt sie abermals auf den Markt und wird zu halben Okas an die Weber verkauft, ehe sie jedoch auf den Webstuhl kommt, von den Frauen gefärbt, die sich die nö­thigen Pflanzen dazu selbst auf den Feldern sammeln; nur das Blau mit seinen verschiedenen Nuancen wird von besonderen Färbern ge­macht. Die Zeichnung wechselt nie, d. h. es besteht eine gewisse Anzahl (7) Muster, von denen man sich in keinem Fall und unter keinem Vorwand entfernt. Neuerungen oder Veränderungen konnten europäische Kaufleute bei diesem rohen Volke, bei dem das Herkom­men zu stark ist, nicht einführen; alles, was man erlangen konnte, waren 2 oder 3 Nuancen in den Grundfarben. Man erkennt Tep­piche erster Qualität gleich an der Franze, die stets grün ist. Die Länge des Stückes, welche man weben kann, ohne das Gewobene frisch aufzurollen, nennt man Pik; und keine Arbeiterin macht an einem Teppiche mehr als einen Pik. Ist sie damit fertig, so steht sie auf und eine zweite setzt sich an die Arbeit, so daß, wenn ein Tep­pich l2 Piks hat, 12 Arbeiterinnen nacheinander daran kommen. Man führt jährlich aus Uschek auf Kameelcn 70,000 Piks solcher Teppiche aus. Der Pik wird im Durchschnitt mit 23 Piaster (zu 3 fl. 1 Tblr. 20 Ngr.) bezahlt; wenn man aber die Teppiche aus­wählt, steigt der Preis auf das Doppelte. Kein Mädchen in Uschek verheirathet sich, ehe sie den Teppich gefertigt hat, der bei ihrer Ausstattung figuriren soll, und da die Arbeit einer fleißigen Frau zum Unterhalt einer Familie ausreicht, so wird eine solche leb­haft von den jungen Leuten zur Ehe begehrt; woraus die Eltern ihren Vortheil zu ziehen verstehen.