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Das Halten von Ziegen.
130. Das Halten von Ziegen. — Die Ziege bildet Ein Geschlecht mit dem Schafe, unterscheidet sich von demselben aber durch Bart, Kinnlocken und.Haare. Sie hat einen lebhaften und launischen Charakter, vermag alle Unbilden der Witterung zu ertragen, und — wo keine Thierart mehr existiren kann, da findet die Ziege noch Nahrung. Sie liebt das Salz und versckmäht sogar Spiritussen nicht. In Italien, der Schweiz, Kärnthen, Kram und überhaupt in Gebirgsgegenden wird sie vorzugsweise gezüchtet. Aber in kleineren Gruppen kommt sie auf der ganzen Erde und bis zum 70 " nördlicher Breite vor.
Den Hauptnutzen leisten diese Thiere mit ihrer Milch, aus welcher auch die bekannten Ziegenkäse bereitet werden. Außerdem wird auch das Fleisch gegessen, das Fell zu verschiedenen Lcderarten, hauptsächlich der jungen Zicklein zu Handschuhen (siehe S. 129), das Haar zu Pinseln und Bürsten verwendet, eine Art Tuch daraus gewoben und die Hörner zu Drechslerarbeiten benutzt. Die Züchtung der Angora- oder Kamel-Ziegen, welche das weiche und seidenartige Chamal- (nicht Kameel-) Haar liefern, das zu dem geschätzten Kamelotzeug verwebt wird und auch roh als sog. Türkisch Garn in den Handel kommt, — der Kaschmirziegen, deren feines Haar zu den weltberühmten Shawls gleichen Namens verwendet wird, und der ebenfalls tibetanischen Bergziege, ist bis zur Zeit noch vereinzelt geblieben; auch die Veredlung der Landziegen durch diese Racen ist noch nicht weit vorgedrungen und die Ziegenzucht überhaupt weniger gepflegt worden, als sie wohl verdient.
In Familien auf dem Lande hat die Ziege besonderen Werth wegen ihrer Milch, die sich vorzüglich für Kinder eignet. Und armen Frauen, welche Platz haben, sie halten zu können, bietet sie manche willkommene Nebeneinnahme.
In den ältesten Geschichten finden wir stets der Ziegen in Verbindung mit Schafen erwähnt, den Hauptreichthum der Patriarchen ausmachend, den Gästen eine ausgesuchte Leckerspeise bietend und bei allen hohen Festen eine hervorragende Stelle einnehmend. In neueren Zeiten werden sie insbesondere in Asien in großen Heerden gehalten, und gewähren bei uns dem unbemittelteren Landbewohner viel Nutzen. Es giebt viele dieser Thiere, welche täglich bis 2 Quart Milch geben, die bei weitem reicher an Rahm ist, als Kuhmilch, und welche keine unbedeutende Zugabe zu den kärglichen Nahrungsmitteln bildet, von welchen manch' arme Taglöhnerfamilie leben muß. Ihr Fleisch ist gut und gesund, und ihre Haut wird für Leder^ubereitung besser bezahlt, als die der Schafe. Sie hat eine kräftige Constitu- tion und ist in der Wahl des Futters keineswegs eigensinnig, indem sie dankbar Alles annimmt, was man ihr anbietet und Nichts verschmäht. Sie läßt sich ruhig an einen Pfahl binden und gras't zur Seite der Straße. Sie ist, wenn gut behandelt, freundlich und spielt gern mit Kindern. Sie nährt sich auf dem Land, z. B. an Hügel-