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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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Die Schafzucht.

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ten Felde. Um das Schaf ruhig zu halten, behandelt man es sorg­sam und freundlich und giebt ihm eine bequeme Stellung. Und um die Wolle leicht und ebenmäßig zu scheeren, hält man die Oberfläche, worüber die Scheere läuft, convex, wobei man die Haut des Thieres Platt zieht. Man sollte zwei Scheeren zur Hand haben; eine, wo­mit man harte, sandige Flockenbüschel, die andere, womit man die reine Wolle abscheret. Obne gute Scheere kann Niemand arbeiten, und es kommt Alles darauf an, daß die Vliese nicht auseinander- gerissen werden.

Magere Thiere sind am schwersten zu scheeren und geben daher ein weniger marktfähiges Produkt; weßhalb Schafzüchter alle ihre Thiere ja gut füttern müssen. Alle Knoten in der Wolle der Schafe müssen vorher entfernt werden, und der Boden soll rein gekehrt sein, um Geströhe und Schmutz von der Wolle fern zu halten. Denn eine unbedeutende Nachlässigkeit bringt schon großen Unterschied im Gesammtpreise für die Rohwolle hervor. Am besten wäre es frei­lich, wenn man beim Scheeren eigene Matratzen oder Tücher nehmen würde, nicht blos zum Daraufsitzcn der scheercnden Person, sondern auch zum Darauflegen der Schafe. Sie würden sich Hiebei unbedingt ruhiger halten, als wenn man sie auf die harten Dielen legt. Je ruhiger das Schaf sich aber hält, desto leichter ist zu scheeren und desto besser hält sich das Vlies zusammen, was doch die Hauptsache ist. Denn das Zusammenlegen des Vlieses ist für Verkäufer und für Käufer ein so wichtiger Gegenstand, daß man sogar eigens eingerich­tete Tische dafür verwendet.

Die Schafschur, obwohl eine einfache Arbeit an und für sich, ist eine Kunst, worin nur Uebung die nöthige Fertigkeit geben kann. Personen, welche dies gelernt haben und, sich in der hiezu bestimmten Zeit eigens damit beschäftigen, verdienen annehmbare Löhne.

Der Schafzüchter, welcher Wolle Produktion als Ziel seiner Bemühung sich gestellt hat, sieht darauf: entweder viel oder gut zu erzeugen. Auch hier schließt das eine das andere aus. Feine Wolle zu gewinnen, wurde vor etwa hundert Jahren das Merino­schaf aus Spanien iu Sachsen eingeführt und zu dem hohen Grade der Wollfeinheit ausgebildet, den sie jetzt auszuweisen vermö­gen. Nur hundert Jahre! und doch ist Deutschland schon dasjenige Land, welches die meiste feine Wolle erzeugt. Nächst der sächsi­schen ist die Wollenproduction in Schlesien eine der berühmtesten. Die preußisch-schlesischen Vliese waren auf der letzten Londoner Aus­stellung die feinsten und edelsten, indem sich dieselben durch ihr seines dünnes Haar, durch kurzen Stoppel, durch eigenthümliche Zartheit und Weichheit, verbunden mit großer Elasticität, ganz besonders aus­zeichneten. Auch auf der vorletzten Pariser Ausstellung erkannte man der deutschen Schafzucht den Vorrang an und schrieb denselben vorzüglich den zu einer Wissenschaft gcdiehenen Kenntnissen der Züch- ter zu; sodann aber auch dem großen und geschlossenen Grundbesitze,