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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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Die Schafzucht.

der im östlichen Deutschland vorherrscht und für die Schafzucht be­sonders förderlich, wo nicht gar nothwendig ist. Die deutsche Wolle ist meist kurzflockig, wie dies für die feinen Tuche erforderlich wird. In Ungarn wurde die Zucht der feinhaarigen Merinos unter Maria Theresia und Joseph II. auf den kaiscrl. Familiengüteru vorgenom­men. Dem Beispiele des Kaisers folgte der hohe Adel, der mit großen Summen die Schafzucht begünstigte; so daß Ungarn unter den Wolle erzeugenden Ländern eine beachtenswerthe Stelle einnimmt. Ungeheure Heerden seiner und minder edler Schafe nähren sich auf den dortigen Grastriften. Auch in Böhmen wird die Schafzucht stark betrieben; der Fürst von Lichtenstein z. B. producirt dort auf seinen Gütern allein ca. 1000 Ctr. alljährlich.

Unter den Schafracen, welche mit vorzüglicher Rücksicht auf Feinheit der Wolle gezogen werden, stehen die Eskurials, Elek- torals und Negrettis oben an. Diesen stehen die englischen Racen wie die Lei cesterschafe mit 12 Zoll langer Wolle, die Southdowns mit ihren auf niederen, breitgestellten Beinen ruhen­den Rumpfgestalten, die mächtigen Cotswolds mit fabelhaften Dimensionen, die Schafe aus Lincoln mit ihrem starken Knochen­bau, die RomneyS mit äußerst kräftiger Körperconstitution gegen­über, welche alle aber meist nur des Fleisches wegen gezogen werden; denn von den englischen Schafen können nur die Shropshire- oder Hampshire-Schafe mit den Merino's bezüglich der Vliese einigermaßen wetteifern.

Von der Wichtigkeit dieses Theils der Landwirthsckaft zeugt die Menge der Schafe, welche allein in Deutschland mit den zu Oester­reich gehörigen Ländern auf 52 Millionen Stück geschätzt wird. Oesterreich allein liefert jährlich nahezu 700,000 Zollcentner Wolle aller Art, wovon auf Ungarn die Hälfte trifft.

In England scheint die Wollproduction eine colossale zu sein, und wird fast ausschließlich für den Kamm, auch größtentheils im Jnlande verbraucht. Sie ist ungewöhnlich langhaarig, dabei aber doch mitunter sehr weich und milde; wodurch sie eben im Preise ihren hohen Stand zu behaupten vermag. Mehr als auf Wolle sieht man in England indessen auf Fleisch. England würde keine 32 Millionen Pfd. Sterl. jährlich an Schaffleisch Produciren, wenn es von seinen Lincoln-, Cotswold- und Chcriotschafcn auch feine Tuchwolle zu ge­winnen strebte. Oesterreich würde nicht zu den eleganten Schafwoll- stoffen und zu feinen Wiener ShawlS das geeignete Material liefern, und seine Wollen würden auf den Ausstellungen sich nicht so aus­zeichnen, wenn sich seine Merinozüchter, wenigstens zum größeren Theil, von jener so verlockenden Richtung der Zucht auf Massen nicht ferne zu halten gewußt hatten, die anderwärts bereits >o manche edle Schäferei ihres Zaubers beraubte.

Auch in Rußland scheint die Wollproduction sehr nutzbar ge­worden zu sein.