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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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Die Schafzucht.

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In der Schweiz giebt es eigene Schafalpen, über den Regio­nen der Rinderweiden und Hochwiesen, in wildesten Gestaltungen hoch oben über unergründliche Tiefen hervorragend und bestehend aus nackten Felsenspihen, steilen Abhängen u. dergl., aus deren Spalten erst im Juli einige kümmerliche Gräser zwischen zwergartigem Ge­sträuche und Nadelholzgestrüppc heraussprofsen. Auf diese gefähr­liche Höhe mit ihren dräuenden Abgründen ringsum, wagt sich der Hirte mit seinen halbwilden Schafen und Ziegen und weidet sie dort 810 Wochen lang einsam, ohne vielleicht einen Einzigen Menschen zu Gesichte zu bekommen. Solche Schafweiden findet man besonders im Berner Obcrlande, am Fuße des riesigen Eigergebirges, dessen Haupt sich 9000 Fuß über dem Meeresspiegel erhebt. Einige dieser Alpenweiden für Schafe sind so ausgedehnt, daß jährlich viele tau­send Stück hinaufgetrieben und 3 Monate lang ohne weiteres Ob­dach geweidet und sogar gemästet werden. Da ist unter Anderen der Gauli-Schafsberg im Urthenthale, und hier hinauf ziehen von der italienischen Seite her ganze Caravancn dunkler, finsterer, lang- schwarzhaariger Männer und Burschen, die unter ihren breiten, klap­penden Hüten mit feurigen Augen hervorblicken und das Malerische ihrer Gestalten noch durch weiße Tücher über den Schultern erhöhen zu wollen scheinen. Sie treiben abgemagerte, häßliche Schafe mit hängenden Ohren vor sich her, und an ihrer Hand schreitet der schwer­bepackte Maulesel, der ihren Lebensunterhalt für zwei, drei Monate trägt. So sieht man sie im Juli über die Abhänge und Höhen des Engadinthales dahin ziehen und sich endlich zwischen den wilden Fel­sengebilden aufwärts verlieren. Erst im September kehren sie zurück, um die Wolle der nun fett gewordenen Schafe auf dem berühmten Markte Borgofesio zu verwerthen.

Außer Europa ist die Schafzucht in ganz besonderer Weise in Neuholland im Aufblühen. Obgleich aber der sog. Katarrh, eine Krankheit, welche speciell der australischen Schafzucht angehört, oft ganze Heerden aufreibt, sollen sich die Schafe dortselbst doch so sehr vermehrt haben, daß sie der Einwohnerschaft zur Ueberlast werden und deßhalb Etablissements in neuester Zeit zur Fabrikation von Talg errichtet worden sind, in welche wöchentlich Tausende von Schafen geliefert werden.

Auch in Nordamerika gewinnt die Schafzucht immer mehr Be­deutung. Denn während 1850 die gesammte Wollproduction der Ver. Staaten 52 Mill. Pfd. betragen hatte, war sie 1860 schon auf 60^ Mill., also nm 15 Procent gestiegen. Der Staat Ohio steht hierin oben an und fällt auf ihn von der Production von 1860 die Anzahl von 10,648,000 Pfd. Der Umstand, daß dieselbe gegen jene von 1850 um 400,000 Pfd. Wolle höher steht, während sich die Zahl der Schafe um 800,000 vermindert hat, spricht klar von der Einführung eines rationelleren Systems der Zucht und Behand­lung der Heerde. Das Merinoschaf wurde 1811, während Napo-