Dokument 
Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
Entstehung
Seite
385
Einzelbild herunterladen

Die Seidenzucht.

385

Die Seidenraupe oder der Scidenwurm ist die Raupe eines ursprünglich in China und Indien einheimischen Nachtschmetter- lings, des Seidenspinners (öomdix ^lori). Mit ausgebrei­teten Flügeln mißt derselbe 1j Zoll in der Breite, hat schmutzig­weiße Flügel mit 23 dunklen Querstreifen und auf den Vorder- flügeln einen etwas undeutlich gezeichneten halbmondförmigen hellen Fleck. Männchen und Weibchen sehen fast gleich aus, und das letz­tere legt 2300 bläuliche Eier an Baumstämme und Zweige, deren auskriechende, überaus gefräßige, lOfüßige Raupen schnell wachsen, sich mehrmals häuten und dann einspinnen. Diese Raupe lebt von den Blättern des Maulbeerbaums, obgleich sie auch wohl junge Sa­latpflanzen und die Blätter der Schwarzwurzel rc. frißt, und man bat berechnet, daß sie in einem Monate dem Gewichte nach 600,000 Mal so viel aufzehrt, als sie beim Ausschlüpfen aus dem Ei wiegt. Die Seidenwürmer erfordern nach dem Klima ihres Vaterlandes eine warme und trockene Luft, wie sie in Spanien, Südfrankreich, Italien und dem Oriente ist; weshalb, wo die gehörige Wärme der Lust fehlt, man die Seidenzucht bei künstlicher Temperatur und geschlosse­nen Räumen betreibt. Wenn sich die Raupen einspinnen, so geben sie einen klebrigen, zähen Faden von sich, den sie mit den Vorder- füßen dergestalt um sich wickeln, daß nach 78 Tagen eine ovale Hülse (Cocon) entsteht. Dieser Cocon besteht aus einem im Zick­zack auf- und absteigenden 9001000 Fuß langen, hinsichtlich der Substanz dem Spinnegewebe ähnlichen Faden von so leichtem Gewichte, daß ein solcher, der eine volle engl. Meile lang ist, nur 12 Gran wiegt; mithin ein Seidenfaden, welcher ein Pfund schwer ist, in der Länge 583 engl. Meilen mißt. Diese Cocons, in denen sich die Seidenraupen, wie gesagt, verpuppt haben, werden, insofern man sie nicht zur Zucht auswählt, der Hitze u. dergl. ausgesetzt, um die Thiere darin zu tödten, weil sonst beim Ausschlüpfen des Schmet­terlings in 3 Wochen, das zarte, künstliche Gewebe zerstört werden würde.

Die Seiden zu ch t besteht in folgenden Verrichtungen u. dergl.:

1) Zn der Anzucht und Behandlung der Maulbeerbäume, und zwar am besten der weißen Gattung, mit schiefherzförmigen, etwas lappigen oder ungetheilten, kerbgesägten Blättern, und kleinen, sehr Weißen, röthlichen oder schwarzen Früchten.

2) In der Produktion der Seidenraupen,»wobei der Wurmsame, d. h. die Eier von früher ausgekrochenen Schmetterlingen über Win­ter sorgfältig an einem trockenen und kühlen Orte aufbewahrt werden muß (aus einem Loth Wurmsamen können 2024,000 Raupen ent­stehen).

3) Dem Ausbrüten, welches in geheizten Zimmern vorgenommen wird und 78 Tage dauert, wobei sehr viel Sorgfalt aufgewendet, sowie der untaugliche und unnütze Samen weggeworfen werden muß, und auch die besten von den minder besseren getrennt zu halten sind.

25