Die Seidenzucht.
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Die Seidenraupe oder der Scidenwurm ist die Raupe eines ursprünglich in China und Indien einheimischen Nachtschmetter- lings, des Seidenspinners (öomdix ^lori). Mit ausgebreiteten Flügeln mißt derselbe 1j Zoll in der Breite, hat schmutzigweiße Flügel mit 2—3 dunklen Querstreifen und auf den Vorder- flügeln einen etwas undeutlich gezeichneten halbmondförmigen hellen Fleck. Männchen und Weibchen sehen fast gleich aus, und das letztere legt 2—300 bläuliche Eier an Baumstämme und Zweige, deren auskriechende, überaus gefräßige, lOfüßige Raupen schnell wachsen, sich mehrmals häuten und dann einspinnen. Diese Raupe lebt von den Blättern des Maulbeerbaums, obgleich sie auch wohl junge Salatpflanzen und die Blätter der Schwarzwurzel rc. frißt, und man bat berechnet, daß sie in einem Monate dem Gewichte nach 600,000 Mal so viel aufzehrt, als sie beim Ausschlüpfen aus dem Ei wiegt. Die Seidenwürmer erfordern nach dem Klima ihres Vaterlandes eine warme und trockene Luft, wie sie in Spanien, Südfrankreich, Italien und dem Oriente ist; weshalb, wo die gehörige Wärme der Lust fehlt, man die Seidenzucht bei künstlicher Temperatur und geschlossenen Räumen betreibt. — Wenn sich die Raupen einspinnen, so geben sie einen klebrigen, zähen Faden von sich, den sie mit den Vorder- füßen dergestalt um sich wickeln, daß nach 7—8 Tagen eine ovale Hülse (Cocon) entsteht. Dieser Cocon besteht aus einem im Zickzack auf- und absteigenden 900—1000 Fuß langen, hinsichtlich der Substanz dem Spinnegewebe ähnlichen Faden von so leichtem Gewichte, daß ein solcher, der eine volle engl. Meile lang ist, nur 12 Gran wiegt; mithin ein Seidenfaden, welcher ein Pfund schwer ist, in der Länge 583 engl. Meilen mißt. Diese Cocons, in denen sich die Seidenraupen, wie gesagt, verpuppt haben, werden, insofern man sie nicht zur Zucht auswählt, der Hitze u. dergl. ausgesetzt, um die Thiere darin zu tödten, weil sonst beim Ausschlüpfen des Schmetterlings in 3 Wochen, das zarte, künstliche Gewebe zerstört werden würde.
Die Seiden zu ch t besteht in folgenden Verrichtungen u. dergl.:
1) Zn der Anzucht und Behandlung der Maulbeerbäume, und zwar am besten der weißen Gattung, mit schiefherzförmigen, etwas lappigen oder ungetheilten, kerbgesägten Blättern, und kleinen, sehr Weißen, röthlichen oder schwarzen Früchten.
2) In der Produktion der Seidenraupen,»wobei der Wurmsame, d. h. die Eier von früher ausgekrochenen Schmetterlingen über Winter sorgfältig an einem trockenen und kühlen Orte aufbewahrt werden muß (aus einem Loth Wurmsamen können 20—24,000 Raupen entstehen).
3) Dem Ausbrüten, welches in geheizten Zimmern vorgenommen wird und 7—8 Tage dauert, wobei sehr viel Sorgfalt aufgewendet, sowie der untaugliche und unnütze Samen weggeworfen werden muß, und auch die besten von den minder besseren getrennt zu halten sind.
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