Die Seidenzucht.
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6) Diese Entwicklung läßt man aber nur bei den härtesten, feinsten und wcißesten Cocons zu, um für das nächste Jahr Eier zu frischen Raupen zu erzielen. Um davon keine zu verlieren, setzt mau das Schmetterlingsweibchen dann vor dem Eierlegen auf ein Papier, wo die Eier ankleben. Und wenn nun die Zeit des Auskriechens herannaht, bringt man diese in eine Stube, deren Wärme nach und nach von 14—22 °k. gesteigert wird. Die jungen Raupen, die man ja nicht mit den Fingern anfassen darf, füttert man, indem man frische Maulbeerblätter auf durchlöchertem Papier über die Blätter des vorigen Tages legt, worauf die Thiere durch die Löcher im Papier herauf nach der neuen Nahrung kriechen.
6) Will man jedoch den Cocon zur Seide verarbeiten, so muß man verhüten, daß der Schmetterling auskriecht, weil dieser das Seidengespinnst sonst zerstört. Man sammelt daher 8 Tage, nachdem sich die Raupen eingesponnen haben, die Cocons in Körbe und tödtet die Puppen, indem sie entweder in einem Backofen 2—3 Stunden einer Hitze von 45—60 °k., oder warmen Schwefel--, Heißwasser- oder Weingeist-Dämpfen ausgesetzt werden, oder durch nahegelegtes, in Terpentinöl getauchtes Papier oder hingelegten Kampher. Mög- ling räth an, die Tödtung der Puppen in den Cocons durch heiße Luftströmungen zu bewerkstelligen, welches Verfahren den Vortheil hat, daß Hiebei kein Cocon ruinirt wird und die Seide sich viel leichter abwinden läßt. Für Seidenzüchter giebt es hiezu eigene, einfach aus einem hölzernen Kasten bestehende Apparate, in welchen die Cocons gelegt werden, und unter dem sich ein Kanonenofen, mit einem Mantel umgeben, befindet, durch den der Kasten erhitzt wird.
Die Cocons sehen weiß, fleischfarben, orange oder gelb aus, und wenn sie bei mäßiger Wärme getrocknet worden sind, so lassen sie sich Jahre lang, ohne zu verderben, an einem trockenen Orte aufbewahren. Auch werden sie sorgfältig sortirt, um die besseren von den weniger guten und schlechten abzusondern, und man thut am besten, sie unmittelbar zum Abhaspeln an Fabriken zu verkaufen.
In China war die Seidenraupenzucht von jeher eine Beschäftigung der Frauen, und in der That paßt gerade wohl nur die Frauen- hand zu der subtilen Behandlung, welche diese Insekten erfordern. Denn selbst bei der größten Sorgfalt und Reinlichkeit gehen viele Raupen vor dem Einspinnen zu Grunde. — 4 Loth Wurmsaamen zählen mindestens 80,000 Eier. Von diesen kommen etwa 10,000 beim Brüten gar nicht heraus. Es bleiben demnach bis zur ersten Häutung nur 70,000 Raupen, welche 1—3 Linien lang sind. Bis zur weiteren Häutung gehen wieder gegen 10,000 zu Grunde. Bei der vierten Häutung sind nur noch etwa 40,000 am Leben. Zum Einspinnen kommen hiervon nur circa 20—30,000 Stück. Auf ein Pfund Seide gehen 300 Cocons. Man kann demnach mit 4 Loth Wurmsamen einen Centner Cocons erhalten. — Daraus ersieht man aber, welcher Pflege und welcher Mühe es bedarf, allein nur die