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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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368 Die Seidenzucht.

nothwendige Reinlichkeit zu erhalten, welche Hiebei nach der Nahrung die Hauptsache ist.

Die Epidemie, welche vor einigen Jahren unter den Seiden- würmern ausbrach, die man Muscardine nennt und in der Entwick­lung eines den ganzen Körper überziehenden Schimmels besteht, hat die Aufmerksamkeit der Speculanten mit den abentheuerlichsten Plä­nen beschäftigt, ein Substitut dieses Thieres ausfindig zu machen. Unter anderem will ein französischer Chemiker, M. Joly, ein Sub­stitut in der Schale einer gewissen Sorte Fischeier gefunden haben, deren Inhalt obendrein noch zu Farbestoffen zu verwenden sein sollte. Ein anderer Franzose, Namens Tracal, soll sich gar ein Pa­tent auf ein Verfahren haben geben lassen, die Seide unmittelbar und zwar sehr reichlich aus den Trieben des Maulbeerbaumes zu gewinnen, wodurch die Arbeit der Seidenraupe und dies Thier selbst ganz entbehrlich gemacht werden würde. Endlich wollte man in Amerika eine Art Spinne entdeckt haben, welche sich mit der Seiden­raupe in das Geschäft des Seidenspinnens zu theilen hätte. Wir übergehen die Einzelnheiten, mit denen diese Erfindungen ausgeschmückt wurden und bemerken nur, daß die beiden französischen wahrscheinlich sogenannte Zeitungsenten waren und daß die amerikanische Entdeckung an der Unbekanntschaft mit der Nahrung und der Lebensweise dieser Wunderspinne gescheitert sein will, die verhinderte dieselbe im Gro­ßen zu ziehen.

In neuester Zeit will man in Peru eine Seiden pflanze ent­deckt haben. Es soll dies ein Baum von 34 Fuß Höhe, die Seide in einer Kapsel enthalten und so fein und stark sein, daß sie das vom Seidenwurme gewonnene Product übertrifft. Obendrein soll der Stiel oder Stamm der Pflanze einen langen und glänzenden Faden liefern, der an Schönheit und Stärke den Flachs übertrifft und be­reits von den Indianern zu Geweben verwendet wird.

In Frankreich und Italien hat man ferner auch versucht, na­türlich gefärbte Seide dadurch zu erlangen, daß man unter die Maul- beerblätter färbende Bestandtheile mischte.

Was die obenerwähnte Seuche unter den Seidenwürmern anbe­langt, die Muscardine, so soll die Ursache derselben in der Anpflan­zung der Maulbeerbäume liegen, von deren Blättern die Thiere leben, indem diese Pflanze, wenn sie stets in ein und demselben Boden ge­zogen wird, gerade in den Blättern zu sehr erschöpft, mager und nahrungsärmer wird.

Südfrankreich und Italien sind eigentlich die Hauptzüchter von Seide in Europa. Noch bevor die verheerende Krankheit unter den Seidenwürmern (1852) sich zeigte, producirte Frankreich von 1846-1852 im Durchschnitte nicht weniger als 24,000 Tonnen Cocons, woraus 2000 Tonnen Seide gewonnen wurden, im Werthe von 120,000,000 Mill. Frcs. Nach der ausgebrochenen Seuche fiel diese Production auf die Hälfte, auf ein Drittel, auf ein Viertel,