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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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Die Seidenzucht.

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und im Jahr 1865 betrug sie nur mehr das Fünftel der ehemaligen Erzeugung. In Folge dessen stieg auch der durchschnittliche Preis der Seide von vier gleich auf sechs Francs und darüber. Und man fing deshalb an, sich Wurmsamen von solchen Gegenden zu verschaf­fen, wo die Krankheit noch nicht eingerissen hatte und ließ auch sol­chen aus dem Oriente kommen. Man glaubte auf diese Weise die Seidenproduction wieder auf die ehemalige hohe Stufe zu bringen.

Die französische Seidenzucht hat ihren Hauptsitz in der Dau­phins, Provence und einen Theil von Languedoc, überhaupt südlich von Lyon. Hier sind die Felder häufig mit hochstämmigen Maulbeer- bäumen besetzt und mit Hecken oder Zwergbäumen eingefaßt, wie es auch in der Lombardei der Fall ist. Als der Hauptplatz des fran­zösischen Seidenhandels gilt Valence, zwischen Lyon und Avignon belegen, sodann sind Montelimart an der Rhone, Annonay, Avignon und Lyon wichtige Punkte für denselben.

Früher beherrschte Italien mit seinem Seidenrekchthum den Weltmarkt, und insbesondere wurde in Piemont, der Lombardei und im Venetianischen die Seidenzucht am stärksten betrieben. Der Geld- werth der sardinischen Seide allein schon wird jährlich auf 54 Mill. Frcs. geschätzt. Die gesammte Sciden-Jndustrie Italiens beschäftigt 259,712 Personen, ungerechnet jene, welche mittelbar dabei betheiligt sind oder ihren Nutzen daraus ziehen. Die Lombardei lieferte 1845 nicht weniger als 13,880,000 Kilogramm Cocons; der Centner Maulbeerblätter kostete etwa 10 Frcs. auf dem Baume, und diesem nach kamen die auf die Erziehung der Seidenraupen verwendeten Blätter allein auf 24 Mill. Frcs. zu stehen, wovon etwa 5 Mill. Frcs. auf den Taglohn beim Einsammeln derselben trafen.

Die Seidenproduction Oesterreichs, die früher eine bedeu­tende Stelle einnahm, und auf die Zeit von 12 Monaten über 100,000 Menschen beschäftigt hatte, beschränkt sich jetzt nur noch auf Südtyrol, wird aber auch in anderen Gegenden begonnen, und zwar in Tyrol, an der Militairgrenze, in dem Küstenlande, und auch zum Theil in Dalmatien, in Kärnthen, in Krain und in Oesterreich unter der Ens. Schon aus der letzten Londoner Industrieausstellung hatten sich zwei Damen: Marie Ralogh, geb. Popovitz, und The- rese Winkler, beide aus Klausenburg (Siebenbürgen) mit Ausstel­lung vonRohseide" betheiligt. Und ihr Beispiel war nicht unfrucht­bar; denn auf der Pariser Ausstellung finden wir außer dem schon oben genannten Lehrer, der beziehungsweise die Arbeit seiner Schul- mädchen zur Ausstellung brachte, eine ziemliche Anzahl Oesterreicher Damen mit den Erzeugnissen ihres Fleißes in der Seidenzucht ver­treten. Der Eifer, den die Frauen in Oesterreich bethätigen, um derFrauenarbeit" Berechtigung zu verschaffen, indem sie, Adelige, Bürgerliche und Arbeiterinnen, im edelsten Wetteifer die Produkte ihres Fleißes vor der ganzen Welt zur Schau bringen, ist der größ­ten Anerkennung und Nachahmung würdig, und wird es wohl noch