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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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Der Lein- oder Flachsbau.

chen sich dieselben namentlich offenbaren. Die Verwendung zur Be­kleidung ist ihre wichtigste Anwendung. Sie sind in Folge dessen in ihren verschiedenen Formen der Gegenstand eines ausgedehnten Handels, einer großen gegliederten Industrie, eine der wichtigsten Grundlagen der Wohlfahrt von Staaten und Völkern. Jede Schwan­kung in den Preisverhältniffen, jede neue Bezugsquelle, jede Störung in der Erzeugung oder Verarbeitung derselben ist von den tiefgrei­fendsten Folgen in socialer, politischer und commercieller Beziehung. Eine weitere Verwendung der Pflanzenfaser ist die Herstellung von Tauen u. dergl. Seilerarbeit, zu welchen namentlich die Faser des Hanfs sich als besonders werthvoll erwiesen hat, dabei aber in neuerer Zeit mehr und mehr durch das Eisen, in vielen Fällen mit großem Vortheil ersetzt wird.

Nachdem diese Gespinnststoffe den angedeuteten Zwecken gedient, geben sie in Form von Lumpen oder Hadern das hauptsächlichste Rohmaterial für Papierfabrikation, deren steigende Ausdehnung die Benutzung noch anderer vegetabilischen Fasern nothwendig gemacht hat.

Von den vier großen textilen Materialien, welche zur mensch­lichen Bekleidung rc. dienen, nämlich der Baumwolle, Flachs, Wolle und Seide, hat kein einziges Europa zur Heimath. Denn die ersten beiden stammen aus Amerika und Afrika, und die beiden letz­teren gehören Asien an. Doch acclimatisirt sich der Lein, von welchem hier besonders die Rede ist, sehr leicht und gedeiht eben so gut im kalten Rußland, wie in den Tropenländern, dessen Bewohner ihn jedoch hauptsächlich wegen des aus seinen Körnern gepreßten Oeles schätzen, da als Material zur Kleidung dort der Flachs fast gänzlich von der Baumwolle verdrängt ist. Der Lein ist genügsam und selbst da, wo die Natur mit geringen Segnungen auftritt, schmückt er den Boden mit seinen himmelblauen, auf weichem Stengel sich wiegenden Blüthen. Bis zum 65" nördl. Breite sogar und bis zu einer Höhe von 6000 Fuß über dem Meere gedeiht er. Doch hängt sein Gedeihen nicht nur von der natürlichen Beschaffenheit, Dün­gung und Bearbeitung des Bodens und von der Güte des Samens, sondern in außerordentlichem Grade auch von der Witterung ab. Und in den Ländern, in welchen der Flachsbau auf der höchsten Cul­turstufe steht, geht man von dem auf die Erfahrung sich stützenden Grundsätze aus, daß guter Lein bei kurzen Zwischenräumen in ein und demselben Boden nicht gebaut werden kann. Sondern man be­obachtet in diesen Ländern vielmehr einen 710jährigen Turnus, ehe Lein wieder in demselben Felde an die Reihe kommen darf, und man nimmt bei siebenjährigem Wechsel Flachs als die dritte und beim zehnjährigen als fünfte Frucht.

Das Land seiner Ehren ist Belgien. Aber auch Irland, Frank­reich und das nördliche Deutschland weiß ihn zu schätzen, während er im Innern Deutschlands selten über die Grenze des Bedarfs ge­baut wird. Schlesien, Böhmen und namentlich auch Rußland haben