Der Lein- oder Flachsbau.
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in neuerer Zeit viel Fleiß auf seine Cultur verwendet und dadurch Belgien eine nicht unbedeutende Concurrcnz eröffnet.
Flachs wird die gereinigte, zum Spinnen tauglich gemachte Bastfaser der Leinpflanze genannt, und man versteht unter Flachsbau, wenn man die Gewinnung derselben im Auge hat, aber nicht, im Gegensatze, die Erzeugung des sog. Leinöles bezweckt, das aus dem Samen des Leins gewonnen wird.
Die Gewinnung des Flachses hängt, wie schon gesagt, sehr vom Boden und von klimatischen Verhältnissen ab. Den Anforderungen aber, welche derselbe in dieser doppelten Beziehung stellt, entsprechen für die feinsten Sorte in erster Linie Belgien und Holland; auf der zweiten Stufe stehen Irland, Frankreich und Westphalen; das Material für mittelfeine und ordinaire Gespinnste liefern Rußland, die östlichen Provinzen Preußens und Oesterreich. Die größten Fortschritte in quantitativer wie qualitativer Produktion von Flachs hat unstreitig Irland gemacht, wo schon seit längerer Zeit eine „Gesellschaft zur Hebung der Flachscultur" besteht und die schon viel Nutzen stiftete, indem sie auf verschiedene Weise die Aufmerksamkeit der bessern Klasse der Pächter und Gutsbesitzer auf den Anbau und eine bessere Behandlung dieser Pflanze nach dem Ziehen richtet.
Auf der letzten Londoner Industrieausstellung war der belgische Flachs der beste und zeichnete sich namentlich durch feine, seidenartige Fasern von ausgezeichneter Weichheit und Geschmeidigkeit aus. Bereits 1842 wurden schon 192 Mill. Pfd. roher Flachs in den beiden Flandern und im übrigen Belgien 64 Mill. Pfd., im Ganzen 256 Mill. Pfd. gebaut, dessen Gesammtwerth gegen 3,200,000 Thlr. betrug und ungefähr von 112,000 preußischen Morgen Landes erzielt worden ist. — Belgien und Holland, die eigentlichen Mutterländer im Flachsbau, verdanken den Ruf der vortrefflichen Qualität ihrer Flachse einmal ihrem guten Rohprodukte, dann aber auch hauptsächlich der vorzüglichen Röste und Bereitung, welche dieselben erfahren.
— Französisch Flandern, die Picardie und Normandie sind die Hauptpunkte der französischen Flachscultur. Dort hält fast jede Landbewohnerin ein Stück Land mit Flachs bebaut; sie besorgt sein Gedeihen, erntet und richtet ihn zu, ja spinnt, bleicht und verwebt ihn sogar selbst. — In Preußen bestehen bereits eigene Flachsbereitungsanstalten (wovon weiter unten die Rede sein wird), z. B. in Hirschberg, und Flachsbauschulen, wie in Grunwitz rc. Die Flachsbereitungsanstalt zu Suckow hat einen jährlichen Umsatz von 140,000 Thlrn.
— In Westphalen beginnt sich gerade dadurch wieder der Flachsbau zu heben, weil der Bauer nunmehr anfängt, sein Produkt unmittelbar vom Acker weg an die Fabriken (Flachsbereitungsanstalten) zu verkaufen. Im Jahr 1864 wurden dort auf einem größeren Gute geerntet von 2 Morgen 6000 Pfd. Rohflachs, der je 28 Pfd. Zu 1 Thlr. verkauft wurde, in Folge dessen sich vom Morgen ein Geldertrag von 107 Thlrn. herausstellte.