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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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Der Lein- oder Flachsbau.

Bemerkenswerth ist, daß, wie sich im Westfälischen zeigt, der Flachs auch auf ausgesäetem Lande, also nach Hafer ohne Düngung, noch gut geräth und dann eine gute Vorfrucht abgiebt. Ueberhaupt breitet sich, besonders in den Aemtern des ehemaligen Fürstenthums Osnabrück, der Flachshandel immer mehr aus und gewinnt auf die Culturzustände einen guten Einfluß auszuüben. Gehechelter Flachs wird von Händlern zu 1 Thlr. pr. 3j Pfd. aufgekauft und für Hede zahlen sie 34 Sgr. pr. Pfd. Die Landwirtbe lösen hier­bei viel Geld und beginnen einzusehen, daß sie mehr mit dem Ver­kaufe dieses gewonnenen Produktes verdienen, als mit dem eigenen Spinnen und Weben. Der Flachsbau bei Königsberg und Dan- zig, in Braunschweig und Hannover (Lüneburger Flachs) verdient hier ebenfalls erwähnt zu werden. In Niederbayern wurden 1864 von Händlern, welche sogar aus der Schweiz kamen, für 50,000 fl. ungehechelter Flachs, der Ctr. zu 1720 fl., aufgekauft; schöner gehechelter Flachs kostet daselbst 2728 kr. pr. Pfd. In Murr- hard (Würtemberg) fand 1864 sogar eine zweimalige Flachsernte statt. Der dortige Bäcker Sträb heimste nämlich im Sommer den vollständigen Ertrag seines Flachslandes ein, ließ aber, weil gerade Regen eingetreten war, zur besseren Reife der Samenknollen die ge­rupften Stengel mehrere Tage lang auf dem Lande liegen, wodurch ein Theil des Samens ausfiel, der auf's Neue keimte und Stengel von 33^ Fuß Länge entwickelte, so daß der Eigenthümer einen zweiten Jahresertrag einernten konnte, der zwar noch keinen Sa­men ausgebildet hatte, quantitativ aber zwei Drittel ersten Stengel- ertrags erreichte. Rußland erzeugt einen berühmten und viel Flachs, und beträgt seine jährliche Produktion in den europäischen Provinzen 165,000 Tonnen (a 20 Ctr.). Von dieser bleibt ihm so viel übrig, daß es einen großen Theil der europäischen Staaten und Großbritannien versehen kann, indem die russische Ausfuhr von rohem Flachs allein den Werth von 18 Mill. Gulden erreicht. Dort ist die Wasserröste in allgemeiner Anwendung, das Hecheln geschieht mit der Hand, da man Maschinen als nicht Vortheilhaft für die Qualität hält. Der im Handel häufig vorkommende Riga er Flachs wird gewöhnlich Marienburger genannt. Er ist meist «»gehechelt, während der lithauische und polnische Flachs gehechelt in den Handel gelangt. Die feinste und beste Rigaer Flachssorte ist der Rackitscher. Hier­auf folgt der Paternoster, dann geschwungener Flachs, Pick-Kauf­mannsgut, Mittel-Kaufmannsgut, Dreiband und Brak. In Oe­sterreich wird der Flachsbau vorzugsweise in Böhmen, Mähren und Schlesien betrieben. Nach diesen kommt Oberösterreich und Ga- lizien. Man hat berechnet, daß im Ganzen etwa 247,800 nieder- österr. Joch (zu 1600 Klafter oder 4 Hess. Morgen) mit Flachs be­baut sind, daß vom Joch 4 Ctr. gebrachten Flachs gerechnet, dies in runder Summe 990,000 Ctr. Flachs ergiebt, und der Ctr. desselben zu 25 fl. österr. gerechnet, die Gesammt-Flachsernte Oester-