Der Lein- oder Flachsbau.
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reichs 24,750,000 fl. werth ist, den sich hiebe: ergebenden Leinsamen ungerechnet. — Der ganze Nordwcsten Oesterreichs eignet sich trefflich für den Anbau des Leins und man gewinnt mit Ausnahme von Ungarn und Siebenbürgen jährlich so viel Flachs, daß man einen Theil desselben zur Ausfuhr zu erübrigen vermag. Im Osten des Kaiserstaates, wo der Flachs an den Abhängen der Karpathen in großer Menge gezogen wird, fällt bis jetzt die Verarbeitung desselben größtcntheils noch der Hausindustrie anheim. Derselbe Grundbesitzer, der die Pflanze erntet, röstet und bricht den Stengel auch, spinnt mit seinen Hausgenossen das Garn und verarbeitet dieses während der Wintermonate zu ordinairer Leinwand für den eigenen Bedarf. — In Amerika wurde von jeher verhältnißmäßig nicht viel Flachs gezogen; weil er das Ergebniß sehr anstrengender Arbeit und Cultur ist, dort aber gerade der Arbeitslohn sehr hoch steht. Nur in Folge der eingetretenen Baumwollenkrisis hat der Flachsbau zugenommen. — Sonst aber wurde in Amerika die Leinpflanze hauptsächlich nur der Oelgewinnung wegen gezogen, und der meiste Flachs für Verarbeitung aus Irland importirt.
In der Zubereitung des Flachses (und des Hanfes) war die Frauenarbeit bisher in großem Grade in Anspruch genommen, und ist dies auch noch immer an vielen Orten mehr oder minder der Fall.
Wird beim Leinbau die Flachsgcwinnung als Hauptsache betrachtet, so muß man auch auf Erzeugung eines guten Samens verzichten; weil im Zustande der völligen Reife die Faser an Geschmeidigkeit und Feinheit verloren haben würde. Zur Zeit der Halbreife, d. i. wenn der untere Theil des Stengels gelb wird und die Blätter abzufallen beginnen, schreitet man zum Ausraufen des Flachses. Man zieht Hiebei die Pflanze an ihrem Stengel sammt den Wurzeln aus der Erde heraus und breitet sie auf dem Felde zum Trocknen aus. Die Zeit der Flachsernte fällt, je nach der Saatzeit und Witterung in die Monate Juni, August und September. Der Flachs wird, wenn er getrocknet ist, in Büschel gebunden und heimgebracht. Dort wartet ihn — das Rüffeln, d. h. die Stengel werden, eine Hand voll jedesmal, durch die 8 Zoll langen Zähne eines eisernen feststehenden Kammes gezogen, um die Samenkapseln oder Knoten abzusondern, welche man später, nach wiederholtem Trocknen zur Gewinnung des Samens ausdrischt.
Der Leinstcngel besteht aus einer dünnen, häutigen Oberrinde, aus dem darunter liegenden Faserbaste, und aus einem von letzterem eingeschlossenen Kerne. Nur die Fasern sind der nutzbare Theil des Stengels. Sie sind aber unter sich und zum Theile mit der Rinde, sowie mit dem Kerne durch eine leimartige Substanz so sehr verbunden, daß sie sich nicht wohl auf mechanischem Wege oder durch Behandlung mit Laugen trennen und für sich darstellen lassen. Dies wird aber durch die Röste oder Rotte bewerkstelligt. Man hat eine
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