Die Brennnefsel.
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139. Die Brennnefsel, eine Schwester des Hanfes, gewährt vielseitigen Nutzen, indem sie für medicinische Verwendung paßt, ein Farbematerial bietet, eine Futterpflanze ist, und insbesondere auch als Gespinnstmaterial gelten kann. — Schon vor einer Reihe von Jahren lasen wir über diesen Gegenstand — wenn wir uns nicht irren — in dem „Polytechnischen Notizenblatt" Dr. Böttichcrs einen anregenden Aufsatz. Ein gleicher stieß uns unlängst in einem deutsch-amerikanischen Blatte auf, den wir (der Verfasser ward nicht genannt) hier so ziemlich unverändert wiedergeben wollen:
„In jedem, auch in dem schlechtesten und kleinsten Stückchen Erde steckt ein Schatz, welcher mit etwas Fleiß und Nachdenken gehoben werden kann. Tausende von Auswanderern mögen nicht dieser Meinung sein; deshalb eilen sie über das Meltmeer, um den gewünschten Schatz beim Durchwühlen der amerikanischen Urwälder zu finden. Wir wollen die Auswanderung nicht tadeln; auch sie hat ihre Berechtigung und ihr Gutes, und gehört mit in den großen Welthaushalt. Desto mehr aber gebieten es Pflicht und Klugheit, daß wir dem heimathlichen Boden diejenigen Reichthümer abzugewinnen suchen, welche derselbe noch in sich birgt. Viele möchten wohl gern die Schätze heben; aber es sollen dann gleich ganze Töpfe oder Kessel mit Geld sein, welche etwa vom dreißigjährigen oder siebenjährigen Kriege her noch vergraben liegen müssen. Es fehlt blos die Wün- schelruthe, welche den sichern Ort anzeigt. Die Schätze, welche hier aber gemeint sind, sind auch baares blankes Geld, ganze Töpfe voll; doch stehen sie nicht gleich fir und fertig da, sondern müssen durch Arbeit und Nachdenken erobert werden. Die Möglichkeit ist aber sicher! — Der Leser soll hier mit einem Mittel bekannt werden, das er jedenfalls schon längst kennt, wenn auch vielleicht nicht von dieser Seite.
„Die Brennnefsel ist das kostbare Gewächs, welches ganz bestimmt die größte Beachtung verdient. Der Leser lächelt vielleicht, daß Unkraut beachtet werden soll. Daß die Nessel, gleich der kostbaren Flach sfaser, ein kostbares Gespinnst liefert, ist schon längst keine Neuigkeit mehr. Aber zu verwundern ist es, daß man diese Entdeckung bis jetzt noch in Europa nicht weiter ausgebeutet hat. Wo in aller Welt findet man eigentlich Nesselpflanzungen? Und doch hat die Natur die Nessel gerade so ausgestattet, daß eine solche Nesselpflanzung mit der größten Leichtigkeit, ohne merklichen Kostenaufwand bewerkstelligt werden kann. Der Flachs sowie die Baumwollenstaude sind empfindliche Gewächse, welche leicht mißrathen. Besonders bedarf der Flachs gut gedüngten und sorgfältig bearbeiteten Boden. Die Brennnefsel durchaus nicht. Von ihr gilt das Sprichwort: „Unkraut vergeht nicht." Der wüsteste, schlechteste Acker ist fähig, Nesseln zu tragen. Vom „Gutgerathen" braucht da keine Rede zu sein; sie gerathen immer. Im Gegentheil; wo sie erst einmal eingewu- chert sind, sind sie kaum wieder zu vertilgen. Ist es nicht gerade,