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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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Der Gemüse- oder Küchengarten.

Die Kartoffel gilt den armen Leuten, leider, oft als das non plus Ultra von Gemüsen, und Ununterrichtetsein, auch Be­quemlichkeit fördert diesen Mißstand; bis dann die Kartoffelkrankheit doch hie und da die Leute auf den Gedanken bringt, auch anderen Gemüse- und Fruchtarten einige Beachtung zu schenken und nicht die ganze Ernte Eines Fleckchen Landes auf das Spiel zu setzen. Die Geschichte der Kartoffel ist bekannt. Sie ist in Peru heimisch, und wurde 1565 zuerst von John Hawkins, 1584 von Walter Ra- leigh und 1586 von Franz Drake nach England gebracht, an­fangs nur in Garten gezogen und auf vornehmen Tafeln der Sel­tenheit wegen verspeist; dann durch den Bauer Hans Rogler in Sachsen, den Waldenser Anton Seignaret in Würtembcrg, den Apotheker Parmentier in Frankreich und durch Andere in ferne, weite Lander verbreitet. Die Franzosen haben Parmentier zum Danke eine eherne Bildsäule errichtet. Die Sachsen und Schwaben aber sind ihren genannten Landsleuten den Dank bis auf den heutigen Tag schuldig geblieben, obwohl dieselben wahrscheinlich einen schweren Kampf gegen Vorurtheil und Mißtrauen werden zu bestehen gehabt haben. Denn die Kartoffel hatte heftige Feinde, wurde für schädlich, ja für giftig erklärt, und erst der Krieg und die demselben folgende Hungersnoth mußten das Borurtheil überwinden. Durch Cultur und Boden entstanden nun eine Menge Arten der Kartoffel, die sich aber der Hauptsache nach in Früh- und Spätkartoffeln eintheilen lassen. Außer zur Nahrung werden sie auch noch zur Bereitung von Stärke, Zucker, Syrup und Spiritus verwendet. Aber, so wie die Kartoffel am Beginne ihrer Einführung erbitterte Feinde hatte; solche fanatische Freunde hat sie sich nun auch in der Folge der Zeit gewonnen, deren Reihen jetzt nur hie und da durch die auftretenden Krankheitserschei­nungen an derselben gelichtet worden sind.

Dr. Reclam sagt über die Kartoffel:daß sie für sich allein in keinem Falle den Menschen ernähren kann, und daß ihr allzuhäu- figer, ja oft ausschließlicher Genuß eine Quelle der Krankheiten für die ärmere Bevölkerung, ja zum Theile sogar Ursache zur Ver­schlechterung der menschlichen Nace wird. Indessen darf auf der anderen Seite nicht vergessen werden, daß der große und regelmäßige Ertrag der Kartoffelpslanzungen ein nationalökonomischer Segen genannt werden muß, und daß die Kartoffelknollen wenigstens den Vorzug haben, eine massenreiche (daher das Gefühl (?) der Sättigung in hohem Grade bewirkende) Speise dem Volke zu bieten. Mit Fleisch und mit anderen Gemüsen zugleich genossen und gekaut, sind sie deshalb ein vortheilhaftcr Zusatz (!) zur Mahlzeit und zeichnen sich außerdem durch verhältnißmäßig hohen Gehalt man­cher für die Gesundheit nothwendiger Mineralbestandtheile, und zwar gerade in den Wintermonaten aus, wo wir dieser Stoffe zur Wärme­bildung in unserem Körper am dringendsten bedürfen. Junge und sehr alte Kartoffeln gewähren dies aber nicht, sind mithin minder