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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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Blumenzucht.

der Menschenherzen zu der Pflanzenwelt. So war u. A. der Glaube und die Hoffnung aller gebildeten Völker auf ein Paradies gerichtet, unter welchem sie sich einen in ewiger Jugend und Blüthe prangen­den Garten dachten, und wo sie ein ewiges Walten und Lieben und Ruhen unter Blumen hofften, Blumen am Busen, Blumen im Haar, Blumen als schwellende Kissen für den Schlummer. Alle ge­bildeten Völker machten auch gewisse Lieblingspflanzen zu Symbolen ihrer Empfindung, sowohl der Freude, wie der Trauer. Die Myrte oder ein blühender Orangenzweig schlang sich um das Haupt der Jungfrau, den tapferen Sieger oder begeisterten Dichter wurde ein Lorbeerkranz geweiht; den Bürger und Gesetzgeber ehrte eine Krone von Eichenblättern; der Oel- oder Palmzweig war das Symbol des Friedens; Trauerweiden und Cypressen bezeichneten die Ruhestätte geliebter Todten. Als Blumen der Liebe und Jugend wurde die Rose bei vielen Völkern zum hochzeitlichen Schmucke gewählt; doch galt sie auch als Sinnbild des Muthes und wegen ihrer Kugelgestalt als Symbol der Vereinigung, der Ewigkeit und des Wiedersehens, indeß die weiße Lilie als Bild der Reinheit und Unschuld betrachtet ward. Bei den alten Griechen war der heitere Dionysios der Gott der Blumen und auch Ceres galt als Schöpferin der Blumen, und wer kennt nicht die rührende Sage von dem Raube ihrer Toch­ter und der alljährlichen Wiederkehr derselben. Die Römer verehr­ten die reizende Flora als Göttin der Blumen, und die alten Aegypter erwiesen einigen Pflanzen sogar göttliche Ehre. In Ost­indien selbst genossen die Blumen im Alterthume schon dieselbe Ver­ehrung, welche sie daselbst noch jetzt finden, und die altindischen Ge­dichte und Schauspiele wehen und duften gleichsam in Blumen und Blumenbildern. Den Chinesen sind die Blumen seit ältesten Zeiten Natursymbole, Lebensbilder bei öffentlichen National-, wie bei relgiö- sen und Familienfesten. Die Mythologie des indisch - thibetanischen Gottes Jndra verliert sich gleichsam in Blumen und Bliimenduft. Die Eingeborenen von Canada, am Gestade des Weschakebe, haben einen Monat, den sie den Blumenmond nennen, und die Jahreszei­ten, die wichtigsten Begebenheiten ihres eigenen Lebens bestimmen sie vorzüglich nach dem Blühen und Vergehen der Blumen und Pflan­zen überhaupt. Und so zeigt sich noch bei vielen anderen fremden Völkern die große Vorliebe für die Blumen oder doch ihre Beachtung.

Doch, um auf den praktischen Betrieb der Blumenzucht zu kom­men , so müssen wir bemerken, daß, wenn man dieselbe als Geschäft betreiben will, es allerdings sehr viel auf die Lage des Gartens und auf Vorliebe ankommt, welche die Umwohner für Blumen haben, und die Absatzgelegenheit zu berücksichtigen ist. Auch muß man sich die nöthige Kenntniß und Geschicklichkeit erwerben. Aber wo ist ein Er­werbszweig, der nicht der Erlernung und Geschicklichkeit bedürfte? Die Beschickung des Marktes mit den Produkten des Blumengartens oder die Besorgung ständiger Kunden, oder der Verkauf für Grä-