Der Wein, dessen Fabrikation und Handel.
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Im bayerischen Katalog finden wir für unsere Zwecke bemerkenswerth, daß einer der bedeutendsten Weinbauern der Pfalz, Namens A. L. Jordan in Deideshcim, auf seinen Weinländereien 30 Familien das ganze Jahr hindurch beschäftigt, jeder Arbeiter Grundbesitz und meistens eigene Wohnung hat. Die meisten derselben sind wohlhabend und ernten selbst 3—6 Fuder Wein; keiner von ihnen ist ganz arm.
Bezüglich des Weinhandels glauben wir noch auf den Grundsatz der Franzosen aufmerksam machen zu müssen, daß bei denselben die Güte zur Menge im umgekehrten Verhältniß stehen muß, und endlich zu betonen, daß: Vollständige Vergährnng, wiederholtes Ablassen und Klären zu geeigneter Zeit und Temperatur, Lagern in reinen und Temperatur haltenden Kellern u. s. w., sowie die Ausschließung jeder Künstelei oder gar Pfuscherei als nothwendige Bedingungen eines besseren Kellerbetriebes unerläßlich sind.
Wie manches noch faul ist im Weinhandel, und wie die Regierungen selbst dem industriellen Fleiße rc. die Hände binden, darüber wollen wir auszugsweise einige Notizen aus dem „Arbeitgeber" mittheilen, welche besonders das Verwerfliche der Consumtionssteuern und dergl. darlegen. Die Landweine z. B. hatten 1865 in Wien einen so niedrigen Werth, daß kaum die Kosten der Arbeit trotz der außerordentlich ergiebigen Ernte bezahlt wurden. Ganz gute Landweine (Most) wurden mit 5—6 Frcs. pr. Hect. (3A kr. österr. Währ. pr. Wiener Maaß) verkauft. In Venedig wurde das Seidel trinkbaren Weines zu 2H kr. ausgeschenkt, — und in Deutschland erhielt sich der Weinprcis auf einer solchen Höhe, daß der Aermere kaum' Aussicht haben durste, sich dann und wann an einem Trunk 1865er laben zu können. — Auch in Frankreich und Italien war die Weinernte eine ungewöhnlich reiche im Jahre 1865. Naturgemäß wäre der Zollverein mit seinem kärglichen, obwohl qualitativ ausgezeichneten Erntebetrag das rechte Absatzgebiet z. B. für die wohlfeilen ungarischen Weine gewesen; aber — die hochgespannten Eingangszölle bildeten hier die Schranke! —
Im Wein Handel, d. h. in den Detail-Weinhandlungen vermöchten Frauenspersonen wohl Beihülfe zu leisten, indem sie Flaschen schwenken und reinigen, Wein abziehen, Flaschen verkorken (größten- theils mit Maschinen, die auch bei Wirth är Co. in Frankfurt zu haben sind), sowie die Etiketten auf die Flaschen kleben rc.
Es giebt neben dem Weinbau auch eine W e i n fabr i ka ti on. Dieselbe theilt sich, vom Schlimmern zum Bessern übergehend, in — Schwindel, in Weinverfälschung und in die vollständig berechtigte Fabrikation von „Schaumweinen".
Schwindel ist es, Wein zu produciren — ohne Traubensaft. Diese großartige Erfindung wurde in Berlin gemacht, ebendaselbst, von wo Hoff, Daubitz u. a. ihre zweifelhaften Fabrikate in die Welt zu senden pflegen.