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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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622 Der Wein, dessen Fabrikation und Handel.

Wo der Geburtsort derjenigen Weine steht, welche zu 99 Pro- cent aus Obstsäften gemacht werden, ist uns unbekannt. In Amerika wenigstens verstehen diese Kunst gerade deutsche Boardingwirthe so vortrefflich, daß man fast Recht hat anzunehmen, daß diese Leute, welche Obstmost für Traubenwein verkaufen, diese Industrie mit aus dem alten Vaterlande gebracht haben.

Doch schaden diese wenigstens nicht so, wie gewissenlose Wein­fälscher, und die Weinfälschung ist überall, besonders bei Detaillisten, als ein Geschäftsvortheil angesehen, unter dem gerade die ärmere Volksklasse am meisten zu leiden hat.

Eine vollkommen berechtigte Industrie ist indessen die Fabrika­tion der Schaumweine. Um diesen Zweig der Industrie uns eini­germaßen definiren zu können, müssen wir vor Allem der Fabrikation des Champagners erwähnen, und thun dies um so lieber, als wir bei dieser Gelegenheit auf das Beispiel des industriellen Talentes einer Frau kommen werden, deren Bestrebungen mit dem glänzendsten Erfolge gelohnt wurden.

Schaumweine, moussirende Weine oder Champagner sind Flaschenweine, welche einen großen Gehalt an Kohlensäure be­sitzen, der erst beim Oeffnen der Flasche entweichen kann und dabei das bekannte Aufschäumen oder Moussiren hervor bringt. Da die in der Folge der Gährung entstehende Kohlensäure aber sogleich bei ihrer Bildung entweicht, oder wenigstens nur zu einem sehr geringen Theil der Flüssigkeit beigemengt bleibt, so sind, um ein größeres Quantum davon an den Wein zu binden, ganz besondere Verfahrungsarten bei der Champagnerfabrikation in Anwendung.

Der Name dieses Weines sagt uns, daß wir ihn ursprünglich der Champagne, einer französischen Provinz, verdanken, wo Rheims, Cpernay, Sillery, Chälons und Cognac u. s. w. durch ihre Erzeug­nisse sich in der ganzen civilisirten Welt einen Namen gemacht haben. Der Weindistrikt des Champagners bildet eine weit ausgedehnte, durch sanfte Erhebungen, sonnige Hügelreihen, geschützte Wellenthäler anmuthig wechselnde Ebene, in der sich die dem Gedeihen der Reben günstigsten Bedingungen wie verabredetermaßen vereinigt finden. In­dessen können nicht alle Lagen der Sonne gleich ausgesetzt sein, und bei den Erzeugnissen machen sich, auch in Folge der Verschiedenheit der Rebensorten, welche man zieht und von denen die eine ein Jahr besser geräth, als die andere, Unterschiede genug geltend, deren Er­kennen und richtiges Benutzen für die Champagnerfabrikation von großer Wichtigkeit ist. Denn es liegt in der Natur der Sache, daß nicht jeder kleine Weinbauer seine Erträge selbst verarbeiten kann, daß dieselben vielmehr von größeren Fabrikanten zusammengekauft werden müssen, da die Arbeit mit dem Champagner eine so compli- cirte und mühsame ist, daß sie nur von großen, gut eingerichteten Etablissements mit der nöthigen Sorgfalt ausgeführt werden kann. Die besten Weinlagen finden sich in der Nähe von Rheims an dem