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Die Beschäftigung des weiblichen Geschlechts in der Hand-Arbeit oder praktische Nachweisung der Thätigkeit der Frauen im Haushalte, im Verkehr, in der Klein- und Groß-Industrie, in den verschiedenen Gewerben, selbstständigen Erwerbsarten, und den zunächst damit verbundenen Absatz-Geschäften / von A. Daul. Mit einem Vorwort von Max Wirth
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632 Kaffee-Surrogate.

einigermaßen sorgfältig behandelt, kann dies auch durch das Kochen geschehen.

214. Von den Kaffee-Surrogaten und besonders von der Fabrikation des Cichorien-Kaffees. Der ungemein große Con- sum des Kaffees in Europa hat, wie natürlich, alle industriellen Kräfte in Bewegung gesetzt, ein Surrogat ausfindig zu machen, das, billiger, als der Kaffee, ihn im Genuß theilweise ersetzen sollte. Bis jetzt wollen zwar unsere Physiologen ebensowenig, wie unsere Fein­schmecker, von irgend einem Surrogat etwas wissen. Dr. Bock sagt geradezu, daß es Kaffee-Surrogate zur Zeit nicht gebe, da alle die Stoffe, welche man bis jetzt als Ersatzmittel für den Kaffee gebraucht hat (wie Runkelrüben, Möhren, Cichorienwurzeln, Erdman­deln, Eicheln, Wicke, Gerste, Roggen u. dergl. m. kein Coffein und Aroma enthalten.

Im französischen Kataloge der Pariser Ausstellung wird die Continentalsperre als Ursache angegeben, daß man in Europa so eifrig nach einem Ersatzmittel für Kaffee suchte, und daß in Folge dessen ein eigener Industriezweig, der der Kaffee - Surrogate - Fabri­kation, entstand. Hauptsächlich war darum zu thun, nach einem Naturprodukte zu spähen, das einen starken aromatischen, einen bitte­ren und adstringirenden Stoff enthalte. Diese Eigenschaften finden sich in einem mehr oder minder befriedigenden Grade in der Cichorie oder wilden Endivie, einer bei uns einheimischen Pflanze, mit großen blaßblauen Blumen und einer langen, pastinakartigen, weißen Wurzel, die ihres bitteren Saftes wegen zu ihrer Anwendung als Kaffeesurrogat führte. Man baut die Cichorie jetzt vielfach in Preu­ßen, Belgien und Frankreich, auch in Süddeutschland und zum Theil in Oesterreich in ziemlicher Ausdehnung an und führt sie stark nach England aus. Die Wurzel wird aus der Erde gezogen, ehe die Pflanze in die Blüthe schießt, gewaschen, in Streifen geschnitten und getrocknet, und darauf mit 2 Pfd. Schweinefett auf 100 Pfd. bis zu einer chocoladebraunen Farbe geröstet, wobei sie 2530 pCt. am Gewichte verliert. Gemahlen und der Luft ausgesetzt, wird sie feucht und klebrig, nimmt an Gewicht wieder zu und erlangt einen dem Lakritzen ähnlichen Geruch und einen merklich süßen Vorgeschmack. Der süßlich bittere Geschmack (das angenehme Aroma des Kaffee's fehlt ihr ganz), den sie selbst kaltem Wasser ertheilt, sowie die dunkle Färbung, welche sie hervorruft, machte sie bald zum Verfälschungs­mittel gemahlenen Kaffee's, und indem sich das Publikum allmäh- lig an dieses Gemisch gewöhnte, wurde es zuletzt für die Freunde eines bitteren Kaffee's gewissermaßen ein Bedürfniß. Wie die Um­stände dem Cichorienaufguffe in manchen Ländern mit der Zeit fast den Charakter eines Nationalgetränkes verliehen, geht aus den That­sachen hervor, daß 1845 die Einfuhr der Cichorie in Großbritan­nien 2000 Tonnen oder Mill. Pfd. betrug und seitdem noch be-