Kaffee-Surrogate.
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deutend zugenommen hat; daß die Quantität der in Frankreich con- sumirten Wurzel sich bereits auf jährlich 12—15 Mill. Pfd. beläuft, und „daß (wie es in der „Victoria" von 1864, S. 183 heißt) in manchen Theilen unseres lieben deutschen Vaterlandes die Frauen zu enthusiastischen Verehrerinnen des Cichorienkaffce's wurden und — wahre Bacchanalien in diesem Getränke feierten."
In mäßigen (!) Quantitäten genossen, sind die Bestandtheile der Cichorie im Ganzen der Gesundheit nicht nachtheilig; aber bei lange anhaltendem, häufigen Gebrauch erzeugen sie Sodbrennen, Ma- genkrampf, Appetitverlust, Säure im Munde rc., so daß dieses Surrogat auch daselbst nicht so häufig in Anwendung kommen sollte, wo der Preis des Kaffee's zu hoch ist.
Die Fabrikation von Cichorienkaffee hat bereits bedeutende Dimensionen angenommen. Für uns hat dieser Industriezweig besondere Bedeutung, da in demselben Frauenarbeit zur Verwendung kommt.
In Frankreich wird die Cichorienwurzel besonders im Norden (Haut- et 6Ä8-Hkin) stark cultivirt. Sie wird dort zuerst geröstet und dann, nachdem sie einem eigenen Trockenprozesse in einem Ofen ausgesetzt worden ist, abermals geröstet und schließlich zu Pulver gemahlen. Die grünen Wurzeln sind 4 Frcs. 50 Cent. bis 5 Frcs. pr. 100 Kil. werth. In Streifen geschnitten und getrocknet, werden sie schon auf 18—24 Frcs. geschätzt, — zu Pulver gemahlen 40 bis 50 Frcs., und der fertige Cichorienkaffee von 50 —60 Frcs. — Die jährliche Produktion wird nach dem Ausstellungskatalog auf 7000 Tonnen, im Werthe von 3^ — 4 Mill. Frcs. veranschlagt. — Was Deutschland betrifft, so finden wir insbesondere in den beiden Katalogen von Baden und Würtemberg interessante Daten über die in diesem Fabrikationszweige bestehenden Verhältnisse von Arbeiterinnen. So beschäftigt die Cichorienfabrik von Gebr. Wickert LWeysser in Durlach, welche mit Leichtigkeit 60,000 Ctr. Cichorie verarbeiten kann, und welche die Landwirthe in der Nähe Durlachs in einem Umkreise von 8—10 Stunden akkordmäßig bauen und abliefern, ab- wechslungsweise 50 — 150 Männer und Frauen, größtentheils aus der Mitte der betriebsamen und fleißigen Bevölkerung des Fabrik- ortes selbst. — Kuenzer L Comp. in Freiburg i. Br. setzen in Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Italien und Amerika ihr Produkt ab, beziehen die Rohstoffe durch Anpflanzungen der Bewohner der Umgegend und beschäftigen, je nach der Saison, 150—250 Personen, von denen etwa 50 in der Fabrik selbst, in welcher eine Fabrikarbeiter-Küche eingerichtet ist, wohnen. — Ferner C. Heidlauff (Firma C. Trampler) in Lahr beschäftigt ungefähr 100 Personen, welche eine eigene Krankenkasse besitzen, für die sonst aber keine Vorsorge nöthig erachtet ist, da sie fast alle etwas Vermögen besitzen. — Daniel Völcker, ebenfalls in Lahr (mit Filialen in Achern in Baden und in Benfeld, Frankreich) beschäftigt in der Hauptfabrik etwa 120 Personen (Frauen und Männer), die von 36 kr. bis 1 fl.