Seifenfabrikation.

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suchen, die Natur der fetten Körper und das Wesen des Verseifung- prozeffes feststellte. In Folge dessen wurde aus Kochsalz gewonnene Soda statt der Lauge mit solchem Vortheile verwendet, daß z. B. Liverpool gegenwärtig jährlich allein mehr Seife exportirt, als vor der Sodafabrikation aus Kochsalz sämmtliche Häfen Großbritanniens zusammen ausführten. Mit der steigenden Fabrikation mehrte sich auch der Bedarf an geeigneten fettigen Substanzen, und da die thie­rischen Fette nicht mehr hinreichten, den Consum zu bestreiten, so kam man auf die Anwendung des Palm - und Eocusnußöles, das man aus Afrika einführt.Die Seife", sagt bekanntlich Pros. Liebig, ist ein Maßstab für den Wohlstand und die Cultur der Staaten; man kann bei Vergleichung zweier Staaten von gleicher Einwohner­zahl mit positiver Gewißheit denjenigen für den reicheren, wohlhaben­deren und culturfähigeren erklären, welcher die meiste Seife ver­braucht. Denn der Verkauf und der Verbrauch derselben hängt nicht von der Mode, nicht vom Kitzel des Gaumens ab, sondern von dem Gefühle des Schönen, des Wohlseins, der Behaglichkeit, welches aus der Reinlichkeit entspringt. Wo dieser Sinn neben den Anfor­derungen anderer Sinne berücksichtiget und genährt wird, da ist Wohlstand und Cultur zugleich".

Unter Seife versteht man eigentlich ein Kunstprodukt, welches aus Zersetzung fetter und öhliger Substanzen durch ätzende Alkalien hervorgeht. In Deutschland und den nordöstl. Theilen von Europa ist die Erzeugung der Talgseife, in England der Palmenseifen, in Frankreich der Oelseifen gebräuchlich. Die Wirkung der Seife ist theils chemisch, theils mechanisch. Die chemische Wirkung beruht dar­auf, daß die Seife bei Gegenwart von hinreichendem Wasser sich zer­setzt und in verdünntem Zustande auflösend auf Fett und Schmutz wirkt, ohne die Gewebe oder die Haut anzugreifen. Die mechanische Wirkung dagegen besteht darin, daß sie durch Reiben die fremden Stoffe entfernt hilft, ohne daß dadurch, bei der Weichheit der Seife, das Gewebe leidet. Diese mechanische Wirkung wird auch durch Bürsten hervorgebracht. Man unterscheidet: Gewöhnliche flüssige und Stangenseife, dann Toilettenseifen.

Sowohl in der Zubereitung der weichen oder Kaliseife, als auch bei jener der Stangen- oder Sodaseife kann Frauenarbeit keine Verwendung finden, ausgenommen beim Schneiden und Aufstellen der letzteren, eine Arbeit, die zwar etwas anstrengend ist, aber zum Theil bereits mit Hülfe einer Maschine wesentlich erleichtert wird.

Wichtige Handelsartikel sind die Toiletten- oder LuxuS- Seifen, und in der Fabrikation derselben findet die Frauenarbeit auch mehr Anwendung, als in der übrigen Seifenfabrikation. Talg nebst einer kleinen Menge Baum- oder Mohnöl mittelst Sodalauge zu harter Seife versotten, bildet die Grundlage sehr vieler feinen Seifen. Am Schlüsse des Seifenbereitungs-Prozesses setzt man flüch­tige Oele, oder feingepulverte und geriebene Farbenstoffe zu.