Die Seiden-Jndustrie.

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Wie schon gesagt, steht in der Seidenindustrie Frankreich oben an. Bis in die neuesten Zeiten hat man überall, wo es nur immer möglich ist, Maschinen statt der Handarbeit einzuführen ver­sucht. Zm südlichen Frankreich werden die Cocons von Frauen und Mädchen abgehaspelt und wird auch von ihnen die Seide zubereitet. Sie arbeiten in eigenen Etablissements unter Aufsehern im Taglohn, wenn sie mit Maschinerie arbeiten, zu Hause aber, wenn sie dies mit der Hand vollbringen. Das Zwirnen wird jedoch in der Regel von Männern versehen. Was die Seidenweberei betrifft, so versehen die Fabrikanten die Weber mit der, nöthigen Einrichtung und ziehen davon eine Miethe. Marseille ist der Hauptmarkt für gefärbte Cocons, sowie für gute Seide und Floretseide, welche von der Fremde kommt; ebenso Lyon für die feine Seide Südfrankreichs und Italiens, und Paris für die starke auswärtige Seide, sowohl ungebleicht als auch gefärbt; dann Paris und Lyon für das Spinnen der Floretseide. Endlich, was die Seidenwaaren - Manufaktur betrifft, so sind Lyon, St. Etienne und Paris die Hauptplätze, welche die ganze Welt mit ihren Erzeugnissen versehen. Englands Seidenwaaren-Produk­tion nimmt, wie in allen anderen Industriezweigen, ungeheure Di­mensionen an und vielleicht versteht es noch, Frankreich darin zu überflügeln, da es seine hohen Arbeitslöhne durch sinnreichen Mecha­nismus zu vermindern bestrebt ist. 1862 zählte Großbritannien bereits 500 Seidenfabriken mit 5176 Pferdekraft und producirte mit einer Million Menschen Waaren im Werthe von 50 Mill. L. Eine hervorragende Stelle in der Seiden-Manufaktur nimmt auch Deutschland ein, worin besonders Krefeld und Umgegend, Elberfeld und Barmen, Köln und Mühlheim a. Rh., Berlin und Umgebung. Bei weitem am stärksten hat sich Hiebei Krefeld gehoben, das i. I. 1722 nur 866 Einwohner hatte, die sich dann 1787 schon auf 5928 und i. I. 1855 auf 46,000 Seelen vermehrt hatten; es ist nächst Lyon die erste Seidenwaaren - Manufaktur in der Welt, und man nimmt an, daß über zwei Drittel seiner Einwohner als Kaufleute, Commis, Weber, Färber, Appreteure rc. Mittel- oder unmittelbar von der Seidenindustrie leben. An der Pariser Ausstellung hatten sich aus Preußen und Norddeutschland 11 Seiden-Fabrikanten betheiligt, und verdient hier besonders Erwähnung das große Eta­blissement des Freiherrn von Diergardt in Viersen (Rheinpreu- ßen), das an Webern, Spulern, Winderinnen, Kettenschee--- re rinnen, Appreteuren, Aufmachern, Packern u. s. w. 3000 Perso­nen beschäftigt. Aus Bayern stellten Gebrüder Escales in Zwei­brücken aus, welche in ihrer Hutplüsch-Fabrik circa 180 Personen beschäftigen. Aus Baden betheiligten sich CarlMetz L Söhne von Freiburg i. Br., welche nicht nur als Seidenfabrikanten, sondern hier hauptsächlich deshalb Erwähnung verdienen, da sie bestrebt sind, mit ihrem Etablissement zu erproben,daß Fabriken in gewis­ser Beziehung die Erziehungs-Anstalten der Armen