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Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr
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Mäh haß erreichten. Ruhend erwarteten wir die Lastkamele, wel­che erst zwei Stunden später eintrafen. Mein Bruder, der uner­müdliche Sammler, war bereits wieder auf die Käferjagd ausge­gangen. Ich bot die ganze Dorfschaft auf, um ihm sein Geschäft zu erleichtern. Für eine gewisse Anzahl von Käfern, wovon ich erst ein Eremplar vorzeigte, versprach ich wenige Para. In kurzer Zeit verließen die Knaben ihren Sitz am Tricbrade der Schöpfma- schinen, die Männer ihre Felder und die Weiber ihre Reibemahl­steine, um Käfer zu suchen, wovon auch bald Massen ankamen. Unter den Weibern, welche fast alle recht hübsch waren, befand sich ein bildschönes Mädchen oder junges Weib in der üppig­sten Blüthe der Jugend. Immer hatte man mir die Frauen des Dahr el Mäh haß als die schönsten ganz Nubiens geschildert; allein meine Erwartungen wurden durch das vor mir stehende Ori­ginal noch bei Weitem übertreffen. Man hätte es für eine Abys- sinierin halten können, so regelmäßig und vollendet schön war der Körperbau des Mädchens. Durch das luftige, durchscheinende Tuch, die Ferdah, welche es in malerischen Faltenwürfen um sich geschlagen hatte, wurden seine Reize keineswegs in Schatten, son­dern erst recht in's wahre Licht gestellt. Es fehlte ihm in unseren Augen weiter Nichts, als eine lichte Hautfarbe. Allein selbst ein durch blendendweiße Georgincrinnen verwöhnter Türke oder ein durch das glühende Kolorit der Fraucnbeschreibungen aus dem Munde des Meddah idealisirter Araber würde nicht gezögert haben, der Nu- bierin ebenfalls einen Preis der Schönheit zuzuerkennen, warum sollte ich es da nicht thun, ich, dem alle Mittel zum Vergleiche fehlten? Waren ja doch die deutschen Frauen, welche ich ich wiederhole es gern, ganz gewiß für die liebenswürdigsten, ein­nehmendsten der Erde halte, so weit entfernt, daß ich mich jetzt un­möglich im Geiste mit ihnen beschäftigen konnte, wo ein-

braunes Mägdlein mit seinen dunklen, von langen, seidenen Wim­pern beschatteten Augen, seinen blendendweißen, unübertrefflich schö­nen Perlzähnen und einem kleinen Mündchen mit purpurrothen Lip­pen vor mir stand! Und diese Lippen waren so schön, so einla­dend, daß ich unmöglich etwas Anderes denken und thun konnte.