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Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr
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Ach Gott, ich werde doch nicht ertrinken! Mir ist es zu Muthe, als könnte ich eine innere Angst nicht bezwingen. Ich kann nicht schwimmen."

Nun hätte ich freilich davon abstehen sollen, zu baden, ich hätte wenigstens meinem Bruder abrathen müssen; allein was hätte ich nicht Alles thun können oder was würde ich nicht Alles gethan haben, hätte ich den Verlauf von einer Viertelstunde voraussehen können! Ich ging in's Wasser und untersuchte die Tiefe genau. Dann meldete ich meinem Bruder, daß das Ufer keineswegs sehr abschüssig sei, zeigte ihm, wie weit er ohne Gefahr hineingehen könne und schwamm der Mitte der Bucht zu, wo ich mich in dem kühlen Wasser nach Herzenslust erquickte. Mehrere Male schaute ich mich nach meinem Bruder um und sah ihn immer in einer vollkommen ungefährlichen Tiefe im Wasser stehen. Schon war ich auf dem Rückwege begriffen, als ich plötzlich einen taubstum­men Knaben, welcher bei uns oft Almosen genossen hatte, einen fürchterlichen Schrei ausstoßen hörte und mit Geberden, welche mich das Aergste fürchten ließen, auf das Wasser deuten sah. Ich sah ein, daß ein Unglück geschehen war; die entsetzliche, schaudervolle Wahrheit wollte und konnte mein Geist nicht fassen. Mit aller Anstrengung schwimmend, erreichte ich gar bald das Ufer; ich sah es leer. Bruder! Oskar! Oskar! Keine Antwort! Doch wo sollte er denn hingekommen sein, da standen ja sogar seine Schuhe noch. Ich sah auf einmal das Gräßliche vor Augen. Schon hatte der Taubstumme Leute herbeigezogen; ich versuchte, in die Tiefe zu tauchen, meine Glieder waren wie gelähmt, ich konnte nicht! So oft ich in die Tiefe hinabzutauchen suchte, ebenso oft wurde ich wieder emporgeschleudert; ich mußte das Tauchen den bereits her beigekommcnen Nubicrn überlassen.

Da saß ich denn am Strande, wie vernichtet an Seele und Leib, meine Glieder zitterten, vor den Augen schoß eS wirr durch einander; ich war zu Allem unfähig. Ich machte mir die bitter­sten Vorwürfe, daß ich Den allein gelassen hatte, den ich jetzt nicht einmal retten konnte; sprechen konnte ich nicht.

Das ganze Ufer war mit Menschen angefüllt, fünfzehn bis