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beamten —, einmal wieder mit Deutschen verkehren zu können, war grenzenlos. Seine Jugenderinnerungen übermannten ihn; er fing zu weinen an. „Jesus Maria," rief er, „wie glücklich bin ich, endlich einmal Deutsche zu sehen!" Und nun suchte er uns begreiflich zu machen, daß er noch unendlich Viel von deutscher Art und Gewohnheit an sich habe. Er erzählte alte, längstbekannte Kalcndcranekdotcn, rezidirte deutsche Gedichte und sang schließlich sogar deutsche Lieder. Es war rührend und spaßhaft zugleich, unsern Hassan-Effcndi die Lieder: „O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt u. s. w.", „Von der Alpe tönt das Horn u. s. w." und andere mehr anstimmen zu hören; er wußte seiner Freude keine Worte zu geben und glaubte sicherlich, sich heute nicht im Innern Afrika's, sondern inmitten Deutschlands zu befinden.
Unsere Ankunft war unter den Europäern Charthums bald bekannt geworden. Alle kamen, um uns zu begrüßen, und theilten uns dann ihre Erlebnisse und andere Neuigkeiten mit. So erfuhren wir denn, daß sich Nicola Ulivi gegenwärtig in Kor- dofahn befinde, um Gummi einzukaufen; daß der Engländer Pe- therik seit einigen Monaten von einem Vimbaschi zu einem Kaufmann avanpirt sei und voriges Jahr hier in Charthum mit Sklaven gehandelt habe; daß la Farque nach Senahr gereist war und daß Nicola Ulivi's Töchterlein, die blasse Gen oveva, wieder in Charthum Hause.
Der neue Gcncralgouverncur war Allen ein Stein des Anstoßes. Er hatte sich geäußert, daß er jeden Europäer, welcher die ihm wohlbekannten Gesetze seiner Nation vergäße, auf gut Türkisch behandeln, d. h., sobald er seinen Befehlen nicht Folge leisten würde, mit fünfhundert Peitschenhieben beschenken und in Ketten und Banden zu seinem resp. Konsul in Kairo bringen lassen werde. Er kennt die Europäer, ihre Gesetze und Sitten; er achtet ihren Verstand, haßt sie aber als Menschen. Ueber das Leben der Europäer Charthum's soll er sich wiederholt äußerst mißbilligend ausgesprochen haben; er tadelt mit Recht ihre Laster, vor Allem die Vielweiberei, in welcher sie fast Alle leben.
Ich war begierig, ihn kennen zu lernen. Am 15. Juni