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Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr
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auf faltet er die Stirnhaut, zieht sie einigermaßen vom Kopfe ab, gießt mir von der Auflösung in die Ohrhöhlen und trocknet mich dann sorgfältig ab. In der Regel ist aller Schmerz wie abgeschnit­ten und wenigstens eine Zeit lang verschwunden. Wodurch diese Linderung der Schmerzen bedingt wird, will ich unentschieden las­sen. Man mag das Ganze lächerlich finden; allein was läßt ein Kranker nicht mit sich vornehmen, wenn er eine Abnahme seiner Leiden hoffen darf!

Noch eine volle Woche mußten wir in Abu-Harrahs verwei­len, ohne daß unsere Krankheit abgenommen hätte. Erst am 21. Oktober konnten wir eine Barke zur Rückreise miethen. Wir ließen sie sogleich beladen und fuhren gegen Abend ab. In der Nacht, welche ich beinahe schlaflos verbringen mußte, hörte ich das Geschrei von mehreren Tausenden, wie ich glaubte, ziehender Kraniche. Am folgenden Tage sah ich aber, daß die Thiere nicht flogen, sondern ruhig auf Sandinscln im Strome saßen.

Gegen Mittag ließen mehrere Hunderte dieser sonst so schlauen Böge! das den Strom langsam hinabschimmende Schiff so nahe an sich herankommen, daß ich nicht unterlassen konnte, obwohl mich zwei Leute aufrichten mußten, mit der Büchse unter den Haufen zu schießen. Der Schuß war glücklich und tödtcte zwei Stück. Man brachte sie mir: ich hatte die seltene 6rus VirZo in den Händen, einen Vogel, der mir früher nie zu Gesicht gekommen war.

Mit meiner in ornithologischer und ästhetischer Hinsicht gleich großen Freude, die seltenen Vögel erlegt zu haben, erwachte auch das Verlangen, noch mehrere Kraniche zu schießen. Die Gelegen­heit hierzu bot sich bald; der Aesthetikcr trat in den Hintergrund und nur der Sammler machte seine Rechte geltend. Leider ist frei­lich Naturaliensammeln fast immer mit Morden verbunden. Gegen Abend fuhren wir an einer großen Insel vorüber, auf der wir wie­der viele Kraniche sitzen sahen. Ich ließ die Barke am unteren Ende der Insel anhalten und beschloß, ungeachtet meines Fiebers, eine nächtliche Jagd zu versuchen. Der Wille des Geistes be­herrschte den geschwächten Körper. Seit mehreren Wochen war ich nicht fähig gewesen, mein Lager zu verlassen, heute konnte ich auf