249
Wir blieben am Ufer liegen, doch will ich nicht leugnen, daß auch uns das Löwcngebrüll zuweilen die Haare sträuben machte.
Man könnte das Gebrüll des Löwen einen Ausdruck seiner Kraft nennen; es ist einzig in seiner Art und wird von keiner Stimme eines anderen lebenden Wesens übertreffen. Die Araber haben ein sehr bezeichnendes Wort dafür: „raad", donnern. Beschreiben läßt es sich nicht. Tief aus des Löwen Brust scheint es hervorzukommen, es scheint diese zersprengen zu wollen. Furchterregend schlägt es an jedes Ohr. Die heulende Hyäne, der brummende Panther, die blöckende Heerde verstummt; der gurgelnde Affe klettert zu den höchsten Aesten der Baumwipfel hinauf; die Gazelle entflieht in eiligem Laufe; das beladene Kamel zittert, gehorcht keinem Zurufe seines Treibers mehr, wirft seine Lasten, seinen Reiter ab und sucht sein Heil in eiliger Flucht. Und selbst der Mensch, der so wohl Ausgerüstete, jedes Thier geistig so hoch Ueberragende, sragt sich, ob wohl seine moralische Kraft der höchsten Potenz der physischen die Spitze bieten könne.
„Der Mann, der nie gebebt in seinem Leben,
Der fühlet hier zum ersten Mal sein Herz erbeben/'
Am anderen Morgen landen wir wenig unterhalb unseres nächtlichen Ruheortes in der Nähe einer Sattste, um dort frisches Gemüse zu kaufen. Ein dort beschäftigter Sudahncse sagt aus, daß man dort keine Nacht vor den Einfällen eines Löwenpaares sicher sei, welches selbst am Tage oft aus dem Dickicht des Waldes hervortrete.
Gegen Abend passiren wir die Mündung des Dinder, eines aus den Gebirgen Abyssiniens nach dem Bahhr el asrakh strömenden Flüßchens, welches während der Regenzeit zu einem Strome anschwillt, in jetziger Zeit aber nur ungefähr den Wassergehalt unserer Elster haben mag. Wir nehmen hier Abschied von der Palmenkönigin „Dulchb", denn diese kommt weiter nördlich nicht mehr vor. —
ES wird Zeit, daß wir zurückkehren. Unsere Schießvorräthc