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Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr
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weilen streckten wir uns jedoch recht behaglich auf dem weichen Di- wahn aus und trösteten uns durch den Genuß des unentbehrlichen Tschibuhk.

Nachdem wir ausgeruht hatten, erschien ein anderer Mönch bei uns und redete uns in deutscher Sprache an. Es war ein in Wien erzogener Grieche, Namens Pietro, welcher von seinem Vater, einem wohlhabenden Kaufmanne, hierher geschickt worden war, weil er Spuren von Geistcszerrüttung gezeigt hatte. Schon seit mehreren Jahren theilte er gezwungen das traurige Loos zwi' schcn Felsen vergrabener Menschen und schien darüber höchst un­glücklich zu sein. Er wurde später unser Führer im Kloster. Ich begann mit ihm noch heute einen Spaziergang durch das ganze Institut zu machen. Zuerst besichtigten wir sechsundzwanzig ver­schiedene Kapellen, welche in allen Winkeln des Klosters nutzlos angelegt und meist mit abscheulichen Heiligenbildern ausgeschmückt waren. Dann gingen wir zusammen durch das Speisezimmer oder Refektorium nach den unteren Geschossen, in denen man ein Wasch- und Backhaus, eine Mahlmühle, Küche, Remisen und dergleichen Räumlichkeiten zeigte. Die Gänge liefen kreuz und quer durch das ganze Kloster hindurch, ohne daß man sich in dem Wirrwarr von Ställen, Schuppen, Gängen, Zellen u. s. w. zurccht finden konnte. Plötzlich trafen sonderbare Töne mein Ohr; erst langsam, dann immer schneller erschallend, glichen sie zuletzt einem Trom­meln. Einzelne Glockenschläge beschlossen die sonderbare Musik, welche die Stunde der Vesper anzeigen sollte. Anstatt der Glocken, die nur Feiertags geläutet werden, bedient man sich eines aufgehan­genen, keilförmig gestalteten, tönenden Bretts von hartem Holze, auf welches mit mehreren Hämmern geschlagen wird. Die Schwin­gungen desselben erzeugen einen ziemlich starken Ton, der sich, vom Sinai und Horeb abspringend, schallend in dem engen Felscnthale verbreitet.

Die Kirche war geöffnet. Wir traten mit dem Beginne der Messe in das Innere derselben ein und befanden uns in einem mit Mormorplatten getäfelten Schiffe, in welchem zu beiden Seiten mehrere mit hölzernem Schnitzwcrk gezierte Stühle standen. Nach