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Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr
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eingeschnitten hatten. Pietro zeigte mir mit einem Seufzer das Blatt mit seinem Namen und der Jahreszahl seiner Ankunft auf dem Sinai.

Gegenwärtig befanden sich sechs und zwanzig Mönche im Kloster. Sie waren, mit Ausnahme eines Rüsten, Griechen und theils aus Griechenland, theils aus der Levante gebürtig. Man sah viele alte Leute unter ihnen, die noch rüstig und frisch umhergingen. Pietro versicherte mich, daß Jemand, der längere Zeit auf dem Sinai gelebt habe, selten weniger als ein Alter von achtzig Jahren erreiche. Dies mag seinen Grund in der reinen, gesunden Alpenluft des heiligen BergcS und der strengen Fastenkost haben, welche, obgleich nahrhaft, doch so einfach ist, daß man sich, wenn man sie einmal gekostet hat, denken kann, was Adam und Eva im Paradiese gekocht haben mögen. Die Mönche essen täglich nur einmal warme Speisen und kommen hierzu auf ein gegebenes Zeichen im Refektorium zusammen.

Ich war bei einer ihrer Mahlzeiten zugegen. Nach einem kur­zen, von dem dienstthuenden Geistlichen vor dem im Refektorium stehenden Altare gesprochenen Gebete setzten sie sich in einer ge­wissen Reihenfolge an die langen Tafeln des gewölbten Speisesaalcs zum Essen nieder. Still und lautlos ging die Mahlzeit vorüber. Der Prior erhob sich zuerst, dann folgte der Geistliche und schlug dreimal an eine hclltöncnde Glocke. Hierauf erhoben sich Alle; der Geistliche sprach wieder ein Gebet und ging dann, sich vor dem am Eingänge stehenden Prior so tief verneigend, daß er mit den Fingerspitzen der ausgestreckten Hände den Fußboden erreichte, zur Thüre hinaus. Alle Uebrigen folgten in derselben Weise und em­pfingen den Segen des Priors.

So gastfrei und zuvorkommend uns die Mönche im Anfange vorgekommen waren, ebenso habsüchtig, geldgierig und verstockt zeigten sie sich später. Auch hier auf dem Sinai blieben sie ihrem Nationalcharakter -treu. Man verlangte von uns enormen

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