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Zweite Reise nach dem Sudahn, Reise nach dem Sinai und Heimkehr
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unmenschliche Beschwerde zu nennen, das weiß ich nicht. Und dennoch sind sie heiter und fröhlich!

Wenn die Sonne sich zum Untergänge neigt, dann scheinen sich ihre Glieder neu zu erfrischen, ihr Muth und ihre Ausdauer neu zu stählen. Und wenn die kühle Nacht dann hereinbricht und in ihrer unendlichen, unbeschreiblichen Schönheit alles Lebende bc- zaubcrt, dann zieht eine Fröhlichkeit in das Herz der Leute ein, welche sich nothwendig in Gesängen Luft machen muß. Dann ist die Phantasie rege und geschäftig, dem ausgedörrten Pilger der Wüste erfrischende Gebilde vorzuzaubern: sie malt ihm kühlende, mit Palmen umstandene und von duftigen Mimosen beschattete Brunnen und Zelte mit freundlichen Nomaden befreundeter Stämme oder gar verwandter und wohlbekannter Leute vor. Denn siehe da, kennt nicht unser Wüstensohn jenes hübsche, braune Mägdlein, welches dort, den Vorhang eines Zeltes lüftend, hervorlugt und, wie es den Fremdling erschaut, freudig heraus- und ihm entgegen­eilt, ihm den Gruß des Friedens spendet und ihn zu der luftigen Wohnung seiner Eltern führt? Er kennt es wohl, denn es ist die Geliebte seines Herzens, seine ihm angelobte Braut, für die er arbeitet und schafft, um bald den von dem Propheten gebotenen Mahhr zu entrichten und mit ihr dann ein eigenes Zelt in jenem schönen Orte aufzuschlagen, an jenem stets vollen Brunnen, in dessen Nähe es immer reiche Weide gibt. Und wenn er an alle diese Freuden denkt, dann wendet sich sein Herz auch gern dem Höheren zu, und deshalb schließt er jede der Strophen seines Lie­des mit den immer und immer wiederkehrenden Worten:8eliodllln bl I-S88ulll gk» solluemu!" Denn mehr noch, als nach all' dem Schönen und Herrlichen, das er in seinen Gesängen leben läßt, sehnt sich das Herz des frommen Mohammedaners nach den ihm von seinem Propheten bereiteten Freuden!

Das war der Sinn der Reime, welche ich heute hörte und in schlichter Prosa wiedergegeben habe. Auch mir klangen deutsche Lieder vor der Seele auf und verschiedene heimathliche Melodiecn leise für mich hinsummend, lauschte ich dem Gesänge der Djcmahli bis tief in die stille, schöne Nacht. Dann trat nach und nach die