• Anthropozän

    Das Anthropozän bezeichnet eine bislang (noch) nicht offiziell anerkannte Epoche in der geochronologischen Zeitskala, in der der Mensch zu einem der zentralen Einflussfaktoren auf biologische, geologische und atmosphärische Prozesse geworden ist.  Geprägt wurde der Begriff im Jahr 2000 vom Atmosphärenchemiker Paul J. Crutzen und dem Biologen Eugene F. Stoermer, um auf das mögliche Ende des Holozäns hinzuweisen – jener seit fast zwölf Jahrtausenden andauernden Warmzeit mit relativ stabilen Umweltbedingungen, die die Entstehung und Entwicklung der menschlichen Zivilisation begünstigte. Obwohl die Kriterien für eine offizielle Anerkennung als geochronologische Epoche (noch) nicht erfüllt sind (Stand 2025), findet der Begriff in Wissenschaft, Medien und Gesellschaft bereits breite Verwendung. Die Debatte über das Anthropozän reicht dabei über die Naturwissenschaften hinaus und umfasst auch ökologische, historische, soziale und ethische Fragestellungen. (Stand: 22.09.2025)

     

  • antikolonialer Widerstand

    Als antikolonialer Widerstand werden verschiedene Formen von Widerstand, Verweigerung und Subversion verstanden, die von kolonisierten Gesellschaften gegenüber ihren Kolonisator:innen im Sinne einer antikolonialen Haltung ausgeübt wurden. Antikolonialer Widerstand wurde in sämtlichen kolonialen Kontexten praktiziert. Widerstand gegen die Kolonialmacht bedeutete jedoch nicht immer eine absolute Zurückweisung kolonialer Herrschaft, sondern in vielen Fällen gegen bestimmte Praktiken, Gesetze oder Politiken. Der Begriff des antikolonialen Widerstandes wird benutzt, um konkrete Handlungen und Strategien von kolonisierten Menschen zu beschreiben und diese von antikolonialem Denken bzw. kolonialismuskritischer Haltung („Antikolonialismus“) zu unterscheiden, wie sie unter europäischen Akteur:innen zum Teil verbreitet war.

  • Ausbeutung (kolonialer Kontext)

    Ausbeutung bezeichnet die Ausnutzung von Menschen durch andere Menschen, aber auch die Ausnutzung der Natur durch den Menschen. Ausbeutung erfolgt, wenn eine Person oder Gruppe aufgrund einer schwächeren Position in unfairer Weise benachteiligt wird, wodurch ein ungleiches Machtverhältnis entsteht. Ausbeutung von Arbeitskraft kann speziell in Form von Versklavung oder Zwangsarbeit auftreten. Sie findet in unterschiedlichen Kontexten statt, wobei der Kolonialismus ein zentrales Beispiel darstellt. Dabei wurden nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Völker und Staaten ausgebeutet. In der Kolonialzeit vergrößerten die europäischen Mächte ihren Wohlstand durch die Aneignung von Ressourcen und Arbeitsleistungen der unterworfenen Kolonien in Afrika, den Amerikas, Asien und Ozeanien, die gezwungen waren, Rohstoffe und Arbeitskraft zu ungleichen Bedingungen abzugeben.

  • Bakschisch

    Der Begriff Bakschisch stammt aus dem Persischen und bezeichnet ursprünglich eine Gabe oder ein Geschenk, häufig im Sinne von Almosen oder einer freiwilligen Zugabe. In zahlreichen nahöstlichen sowie süd- und zentralasiatischen Gesellschaften entwickelte sich daraus die Praxis, kleinere Geldbeträge als Zeichen der Anerkennung oder als Entlohnung für erbrachte Dienste – etwa in Form von Trinkgeld – zu überreichen. In der modernen deutschen Sprache kann Bakschisch je nach gesellschaftlich-kulturellem Kontext sowohl ein Trinkgeld als auch – in umgangssprachlicher Verwendung – eine Form von Bestechung oder Schmiergeld bezeichnen. Die Gleichsetzung von Bakschisch mit Korruption erweist sich als problematisch, da sie die kulturell vielschichtigen Bedeutungen des Begriffs verkürzt und zugleich stereotype Vorstellungen verstärken kann.

  • Basar

    Ein Basar ist ein festes Marktviertel in Städten islamisch geprägter Kontexte, das sich durch ein Netzwerk ganz oder teilweise überdachter Marktgassen auszeichnet. Die Geschäfte sind in der Regel nach Handwerken oder Produktarten gegliedert. Der Basar bildet einen zentralen Bestandteil der städtischen Handels- und Wirtschaftsstruktur. Der Begriff „Basar“ geht auf das Persische zurück und bezeichnete ursprünglich Märkte im Iran, in Zentral- und Südasien. In vielen europäischen Sprachen hat sich „Basar“ als allgemeiner Oberbegriff für Märkte in Vorderasien und teilweise Nordafrika eingebürgert, die im Arabischen jedoch als Suk (auch Suq) bezeichnet werden. Während der Kolonialzeit entstanden in arabischen und islamisch geprägten Städten Markthallen nach europäischem Vorbild, die ebenfalls als „Basare“ bezeichnet wurden. Die Errichtung kolonialer Markthallen spiegelt die Transformation urbaner Räume wider und verdeutlicht, wie koloniale Eingriffe die Nutzung wie auch die Wahrnehmung lokaler Märkte sowie vorkolonialer Handelsstrukturen prägten und veränderten.
  • Beduine_Beduinin

    Der Begriff Beduin:in bezeichnet traditionell nomadisch oder halbnomadisch lebende Gruppen in den Wüsten- und Steppengebieten des arabischen Raums. Es handelt sich dabei um eine Fremdbezeichnung; die betreffenden Gemeinschaften identifizieren sich in der Regel primär über ihre Verwandtschafts- und Gemeinschaftsstrukturen. In historischen wie zeitgenössischen Diskursen werden beduinische Gemeinschaften häufig durch orientalisierende Stereotype beschrieben, die ihre komplexen sozialen, ökonomischen und politischen Rollen vereinfachend verzerren. 

    Zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert stand die Sinai-Halbinsel, die heute zu Ägypten gehört, formal unter osmanischer Herrschaft. Die dort ansässigen Sinai-Beduin:innen waren ein integraler Bestandteil regionaler Handelsnetzwerke. Sie wirkten als Karawanenführer:innen sowie Begleiter:innen auf den Routen, die Ägypten, die Levante und die Arabische Halbinsel verbanden. Ihr spezialisiertes Wissen über das schwierige Terrain war sowohl für Handels- als auch für Pilgerkarawanen von zentraler Bedeutung. Zugleich kam es häufig auch zu Konflikten mit beduinischen Gruppen, denn sie forderten Abgaben oder Schutzgelder und führten teilweise auch Raubzüge durch.

  • Bias

    Der Begriff Bias bezeichnet eine systematische Verzerrung oder Voreingenommenheit, die Wahrnehmung, Urteilsbildung oder Datenerhebung beeinflusst. Ein Bias entsteht häufig unbewusst und kann sowohl bei Menschen als auch in technischen Systemen auftreten, etwa bei der Auswahl, Interpretation oder Verarbeitung von Daten. Es gibt verschiedene Arten von Bias, darunter kulturelle, kognitive oder Gender Bias. Im Kontext kolonialer und eurozentrischer Wissensproduktion lässt sich Bias als die strukturelle Verzerrung verstehen, durch die Wissen aus der Perspektive des Globalen Nordens als vermeintlich neutral und universell dargestellt wird. Dadurch werden andere Formen des Wissens marginalisiert oder unsichtbar gemacht. Bias verweist in diesem Zusammenhang nicht auf individuelle Vorurteile, sondern auf tief verankerte Machtverhältnisse in der Produktion und Weitergabe von Wissen.

     

  • Black, indigenous, and other People of Color (BiPoC)

    BiPoC steht für „Black, indigenous and People of Color“, also Schwarze, indigene und nicht-weiße Menschen.  Der Begriff setzt die historischen und aktuellen Lebensrealitäten von Schwarzen, indigenen und nicht-weißen Personen in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit Unterdrückung und Rassifizierung, speziell im Kontext der USA. Der Begriff spiegelt die spezifischen historischen Bedingungen seiner Entstehung in den USA wider und lässt sich daher nicht ohne Weiteres auf andere Diskriminierungskontexte nicht-weißer Personen übertragen. BiPoC ist als Erweiterung des Begriffes People of Color (PoC) ein relativ neues Label, das von einigen Anti-Rassismus-Aktivist:innen verwendet und von anderen abgelehnt wird.
  • Dahabieh

    Dahabieh (auch Dehabiya) bezeichnet ein langes, schmales Nilschiff mit Verdeck und Kajüte. Im 19. Jahrhundert wurden die anderthalbmastigen Segelboote von europäischen Reisenden auf dem Nil genutzt, bevor Dampfschiffe aufkamen. Das Schiff hatte eine Länge von bis zu 15 Metern und verfügte am Heck über einen großzügigen Kabinenaufbau, der Platz für etwa acht bis zehn Personen bot. Heute werden restaurierte oder nachgebaute Dahabiehs weiterhin für touristische Nilfahrten genutzt – meist als exklusivere Alternative zu großen Kreuzfahrtschiffen.
  • dekoloniale Ökologie

    Dekoloniale Ökologie bezeichnet einen Ansatz, der ökologische Krisen im Zusammenhang mit kolonialen Machtverhältnissen, kapitalistischer Ausbeutung und sozialen Ungleichheiten analysiert. Der von Malcolm Ferdinand geprägte Begriff kritisiert die historisch gewachsene Trennung von Umwelt- und Kolonialgeschichte ebenso wie die Dominanz eurozentrischer Wissenssysteme in ökologischen Debatten. Diese haben dazu geführt, dass rassifizierte und marginalisierte Gruppen systematisch aus Umwelt- und Klimadiskursen ausgeschlossen wurden. Umwelt- und Klimafragen werden überwiegend aus einer weißen, männlich dominierten Perspektive verhandelt, wodurch alternative Wissensformen und Erfahrungshorizonte an den Rand gedrängt bleiben. Angesichts der Zuspitzung globaler Krisen wie Klimawandel und sozialer Ungleichheit fordert der Ansatz analytische Perspektiven, die koloniale Kontinuitäten sowie intersektionale Dimensionen von „race“ und „gender“ berücksichtigen. Durch reparative Praktiken, eine Erweiterung des Wissenskanons und die konsequente Einbeziehung marginalisierter Stimmen soll so eine klimagerechte, nachhaltige und postkoloniale Zukunft ermöglicht werden.

  • Dekolonisation

    Dekolonisation bezeichnet den vor allem im 20. Jahrhundert stattfindenden politischen und völkerrechtlichen Prozess, in dem Kolonien ihre formale Unabhängigkeit von europäischen Kolonialmächten erlangten. Dieser Prozess war weder einheitlich noch ist er bereits abgeschlossen: Er verlief je nach Region friedlich oder gewaltsam, war von weltpolitischen und ökonomischen Umbrüchen nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt und führte nicht automatisch zur Auflösung kolonialer Abhängigkeiten. Dekolonisation meint somit weniger einen vollständigen Bruch mit der Kolonialgeschichte, sondern deren Transformation unter neuen globalen Bedingungen.
  • Dekolonisierung

    Dekolonisierung bezeichnet den über die politische Unabhängigkeit hinausgehenden, bis in die Gegenwart fortwirkenden Prozess der kritischen Auseinandersetzung mit kolonialen Machtverhältnissen, Wissensordnungen und Wahrnehmungsweisen. Sie zielt darauf ab, jene Strukturen, Ideologien und Institutionen zu verändern, die auch nach der formalen Dekolonisation fortbestehen, und umfasst damit politische, ökonomische, kulturelle und epistemische Dimensionen. Dekolonisierung bedeutet, koloniale Logiken in Sprache, Wissen, in sozialen Beziehungen und zwischenmenschlichen Interaktionen zu erkennen, zu verlernen und alternative Formen des Wissens und Zusammenlebens zu ermöglichen.
  • Dekolonisierung (musealer Kontext)

    Die Dekolonisierung westlicher Museen bedeutet, sich kritisch und dauerhaft mit kolonialem Erbe auseinanderzusetzen. Dazu gehören die Erforschung kolonialer Sammlungen, die Provenienzforschung zu Objekten aus kolonialen Erwerbskontexten und – in bestimmten Fällen – auch ihre Rückgabe in Form von Restitution. Ebenso wichtig ist die Neubewertung von Ausstellungs- und Vermittlungspraktiken sowie das Bewusstsein dafür, dass westliche Museen lange Zeit zur Festschreibung kolonialer Narrative und eurozentrischer Sichtweisen beigetragen haben. Ein zentraler Bestandteil ist die Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften im Sinne partizipativer und multiperspektivischer Ansätze, die transkulturelle Zugänge fördern.
  • Deutsch-Namibischer Krieg (1904-1908)

    Der Deutsch-Namibische Krieg (1904–1908) war ein Kolonialkrieg zwischen der deutschen Kolonialmacht und verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Gebiet des heutigen Namibia. In Folge zunehmender Konflikte um Herrschaft, Land und Ressourcen sowie die rassistischen Politiken im „Schutzgebiet“ Deutsch-Südwestafrika (DSWA) seit den 1890er-Jahren erhoben sich 1904 zunächst Hererogruppen, später auch Namagruppen, gegen die deutsche Kolonialherrschaft. Der Krieg begann am 12. Januar 1904 mit Angriffen der Herero unter der Führung von Samuel Maharero (1856–1923) auf koloniale Infrastrukturen wie Bahnhöfe, die Baustellen der entstehenden Otavibahn und Handelsniederlassungen, die auch im weiteren Kriegsverlauf zentrale Austragungsorte der Konflikte blieben. Ein entscheidender Einschnitt war die Schlacht am Waterberg (August 1904), nach der die Schutztruppe (Militär in den deutschen Kolonien) die Herero in die Omaheke-Wüste trieben. Im Oktober 1904 erließ der Kommandeur der Kolonialtruppen DSWAs, Lothar von Trotha (1848–1920), den sogenannten „Vernichtungsbefehl“, der die völlige Auslöschung der Herero anordnete. Der Krieg führte damit zum Völkermord an den Herero und später auch den Nama; gefangene Herero und Nama wurden in eigens errichteten Konzentrationslagern untergebracht und als Zwangsarbeiter:innen eingesetzt. Die Bezeichnung „Deutsch-Namibischer Krieg“ betont, dass es sich um einen Krieg und nicht um einen einseitigen „Aufstand“ handelte. Zudem rückt der Begriff den antikolonialen Widerstand mehrerer lokaler Gruppen in den Vordergrund, der prägend für das später formulierte nationale Selbstverständnis Namibias im Kontext der Unabhängigkeitsbewegung war. Nach jahrzehntelangen Zurückweisungen der Verantwortung für die Folgen des Krieges sowie des Tatbestandes des Völkermordes gab es 2015 erstmals Zugeständnisse vonseiten der Regierung der Bundesrepublik Deutschland. Darauf folgten langwierige Prozesse der gemeinsamen Aufarbeitung zwischen Deutschland und Namibia, in denen Entschädigungszahlungen, öffentliche Entschuldigungen und auch die Restitution von menschlichen Überresten debattiert wurden.
  • Ekori

    Ekori (pl. Omakori) bezeichnet eine Kopfbedeckung, die von Frauen verschiedener Herero-Gesellschaften des südlichen Afrikas bis in die Kolonialzeit getragen wurde. Die Kopfbedeckung wurde aus Leder gefertigt und mit Eisenperlen und aufwendigen Ledernähten verziert. Die Form der Kopfbedeckung symbolisiert Rinderhörner, ein Bezug auf die vormalige Lebensgrundlage der Herero. Das Ekori  ist Bestandteil eines vierteiligen Ensembles, bestehend aus Ekori (Kopfbedeckung), Oruheke und Oruhira (zweiteilige Lederschürze) sowie Orupera (Lederumhang). Aktuell befinden sich mehr Omakori in ethnologischen Sammlungen deutscher Museen als in den Sammlungen namibischer Museen. Die Restitution dieser und anderer Objekte wird im Rahmen der größeren Debatte um Restitution von Erwerbungen aus kolonialen Kontexten diskutiert.
  • Empowerment

    Empowerment bezeichnet sowohl den Prozess der Selbstermächtigung von Menschen oder Gruppen als auch die Unterstützung dabei, Macht- und Einflusslosigkeit zu überwinden. Ziel ist es, eigene Kräfte, Fähigkeiten und Ressourcen zu entwickeln, um Gestaltungsspielräume wahrzunehmen, Interessen selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu vertreten und so die eigenen Lebensumstände und Entwicklungsmöglichkeiten zu verbessern. Empowerment umfasst sowohl individuelle und kollektive Ermächtigungsprozesse als auch die professionellen oder gesellschaftlichen Maßnahmen, die diese Prozesse fördern. Der Begriff wurde ursprünglich von der US-amerikanischen Bürgerrechts- und Selbsthilfebewegung geprägt.
  • Entmenschlichung

    Entmenschlichung bezeichnet die psychologische und gesellschaftliche Abwertung von Menschen, bei der Individuen oder Gruppen bestimmte menschliche Eigenschaften und Würde abgesprochen werden. Die Betroffenen werden dabei etwa mit Tieren, Maschinen oder Objekten verglichen und nicht mehr als vollwertige Menschen behandelt. Entmenschlichung dient dazu Diskriminierung, Ausgrenzung oder Gewalt gegen die Betroffenen zu legitimieren.
  • Essentialisierung

    Essentialisierung bezeichnet den Prozess, bei dem Menschen oder Gruppen bestimmte Eigenschaften als unveränderlich, naturgegeben und allgemein gültig zugeschrieben werden. Vielfalt innerhalb einer Gruppe wird dabei ausgeblendet und komplexes Verhalten auf wenige Merkmale wie Herkunft, Kultur, Religion oder Geschlecht reduziert. Essentialisierung tritt in unterschiedlichen Kontexten auf, etwa in Bezug auf Ethnie, „Rasse“, Geschlecht oder Religion. In diskriminierenden Diskursen – etwa in rassistischen oder orientalistischen Stereotypen – dient sie dazu, Unterschiede zwischen „wir“ und „den anderen“ zu verfestigen und soziale Hierarchien zu legitimieren.

  • Ethnie

    Ethnie bezeichnet eine soziale Gruppe, die durch eine angenommene gemeinsame Herkunft, eine geteilte Geschichte sowie durch gemeinsame kulturelle Praktiken, Werte und Normen bestimmt wird. Ethnische Zugehörigkeit ist keine objektive Kategorie, sondern ein soziales Konstrukt, das durch Zuschreibungen und Selbstwahrnehmungen entsteht. Ethnie ist zudem ein historisch belasteter Begriff, da er in kolonialen und rassistischen Diskursen genutzt wurde, um Menschen zu kategorisieren und zu hierarchisieren. Häufig wird er vor allem auf People of Color angewandt und suggeriert dabei einheitliche Kulturräume, während für weiße Menschen eher Begriffe wie „Kultur“ verwendet werden. In der aktuellen Forschung wird betont, dass Ethnie nicht als naturgegebene Eigenschaft, sondern als Ergebnis sozialer und politischer Prozesse verstanden werden sollte.

  • Ethnisierung

    Ethnisierung bezeichnet den sozialen Prozess, bei dem Menschen oder Gruppen anhand äußerer Merkmale, vermuteter Herkunft oder kultureller Praktiken als Angehörige einer „Ethnie“ oder als „ethnisch anders“ markiert und kategorisiert werden. Dies kann sowohl durch Fremdzuschreibung als auch durch Selbstzuschreibung („Selbstethnisierung“) erfolgen. Ethnisierung ist häufig mit Vereinfachungen und Generalisierungen verbunden, indem komplexe Verhaltensweisen oder Eigenschaften auf eine vermeintliche ethnische Zugehörigkeit zurückgeführt werden. In vielen Fällen ist der Prozess von Machtungleichheiten und ethnozentrischen Wertungen geprägt, die zur Abwertung oder Stereotypisierung beitragen.
  • Ethnozentrismus

    Ethnozentrismus bezeichnet eine Wahrnehmungs- und Bewertungsweise, bei der die eigene Kultur, Herkunft oder Zugehörigkeit als Maßstab dient, um andere Kulturen, Praktiken, Weltanschauungen oder soziale Gruppen zu beurteilen. Die eigene Lebensweise erscheint dabei als selbstverständlich, „normal“ oder überlegen. Ethnozentrismus kann sowohl in positiven Zuschreibungen als auch in Abwertungen zum Ausdruck kommen. Häufig geht er mit einer Bevorzugung der eigenen Gruppe („in-group bias“) einher und führt zur Reduktion anderer Gruppen auf vermeintliche kulturelle oder ethnische Unterschiede, etwa in Sprache, Religion, Verhalten oder Bräuchen.
  • Eurozentrismus

    Eurozentrismus bezeichnet ein Deutungsmuster, das europäische Geschichte, Werte, Normen und Perspektiven bevorzugt und als universellen Maßstab setzt. Weltregionen, Kulturen und Wissenssysteme werden dabei durch eine „europäische Brille“ hindurch interpretiert – häufig verbunden mit Wertungen, Hierarchisierungen und willkürlichen Zuschreibungen. Eine weit verbreitete Ausprägung besteht in der undifferenzierten Betrachtung großer Weltregionen: Unterschiedliche Kulturen oder Gesellschaften werden als gleich dargestellt. Beispielsweise wird häufig pauschal von „Afrika“, dem gesamten Kontinent, gesprochen, wenn eigentlich spezifische Länder, Kulturen oder Gruppen gemeint sind. Die postkoloniale Kritik, unter anderen von Vertreter:innen der Subaltern Studies, legt die Zentrierung Europas bzw. des Westens in der Wissensproduktion offen und versucht, globale Interdependenzen und Verflechtungen in Form von alternativen erkenntnistheoretischen Ansätzen aufzuzeigen.
  • Exotisierung

    Exotisierung bezeichnet einen Prozess, durch den nicht-westliche Kulturen sowie Menschen, Tiere, geographische Räume und Pflanzen aus einer weißen und westlichen Perspektive als ungewöhnlich, geheimnisvoll oder „anders“ konstruiert werden – häufig in stark vereinfachender oder stereotypisierender Weise. Das aus dieser Perspektive dargestellte „Fremde“ wird dabei als mit dem eigenen unvereinbar verhandelt. Exotisierung ist damit eine spezifische Form des Othering.

    Eine solche Zuschreibung als „exotisch“ wird häufig nicht-westlichen Frauen zuteil. Hierbei werden männliche und heteronormative Sehnsüchte auf Frauen übertragen, wodurch diese als begehrenswerte „Andere“ objektifiziert und sexualisiert werden.

    Frühe Ethnologie und Anthropologie haben stark zur Etablierung exotisierender Vorstellungen beigetragen. Besonders im 19. und frühen 20. Jahrhundert beschrieben viele Forschende nicht-westliche Gesellschaften aus einer kolonialen, eurozentrischen Perspektive: „primitive“, „fremde“, „mystische“ Kulturen wurden dem „entwickelten Westen“ gegenübergestellt und als vermeintlich positiv dargestellt – etwa im Stereotyp des „edlen Wilden“. Dadurch wurden Klischees wissenschaftlich legitimiert und verbreitet. Viele dieser Stereotype halten sich bis heute. 
  • Extraktivismus

    Extraktivismus bezeichnet ein Wirtschaftsmodell, das auf intensiven Rohstoffabbau ausgerichtet ist – mit oftmals schweren sozio-ökologischen Folgen. Ein kritisches Verständnis von Extraktivismus wurde zu Beginn des 21. Jahrhunderts in lateinamerikanischen Kontexten formuliert, um die entwicklungs- und umweltpolitischen Konsequenzen der Ausbeutung und des Exportes natürlicher Ressourcen aufzuzeigen. Zu den wichtigsten Profiteur:innen gehören heute wie damals internationale Konzerne, lokale Eliten und staatliche Institutionen selbst. Sie sorgen durch politische und rechtliche Entscheidungen dafür, dass der Rohstoffabbau möglich bleibt und gesetzlich abgesichert ist. Im Globalen Norden werden bis heute immer mehr Ressourcen für eine „imperiale Lebensweise“ eingefordert – also für einen Lebensstil, der auf überproportionalem Ressourcenverbrauch basiert und deren Abbau in Ländern des Globalen Südens zu ökologischen Schäden und zu sozio-ökonomischer Degradierung führt. Dies zeigt sich in der Zerstörung von Ökosystemen, der Verschlechterung der Bodeneigenschaften und Umweltverschmutzung, sowie in Form von Landenteignungen, Vertreibungen und dem Entzug der Lebensgrundlage für marginalisierte Gruppen. Darüber hinaus stellten Wissenschaftler:innen fest, dass sich Extraktivismus zunehmend nicht nur als ein Wirtschaftsmodell, sondern auch als nationale und wachstumsorientierte Entwicklungsstrategie manifestiert, was als Neo-Extraktivismus bezeichnet wird.
  • Fellache_Fellachin

    Der Begriff „Fellache“ geht auf das Arabische zurück und bezeichnete ursprünglich die sesshafte bäuerliche Bevölkerung aus Nordafrika und Westasien, deren Lebensgrundlage die Landwirtschaft war. Er diente damit zur Abgrenzung von nomadischen Gruppen. Seit dem 19. Jahrhundert wurde der Begriff in Europa mit einer ethnisierenden Bedeutung versehen und fand insbesondere in kolonialen und orientalistischen Diskursen als Bezeichnung für die einheimische Bevölkerung Ägyptens Verwendung. Unter der osmanischen Herrschaft waren Fellach:innen häufig hohen Steuerlasten, Zwangsrekrutierungen und sozialer Benachteiligung ausgesetzt. Während des Baus des Suezkanals (1859–1869) stellten sie den Großteil der Arbeitskräfte und mussten den Kanal unter äußerst harten Bedingungen überwiegend von Hand ausheben.
  • Feluke

    Eine Feluke ist ein kleines, schmales Segelschiff mit ein oder zwei Masten und dreieckigen Segeln (Lateinersegeln), das vor allem im Mittelmeer und auf dem Nil verwendet wird. Die Feluke ist ein wendiges, galeerenähnliches Ruder-Segelschiff arabischen Ursprungs, dessen Wurzeln vermutlich bei den Imazighen Nordafrikas liegen. Sie war für Küstenfahrten konzipiert und konnte mit etwa 30 Mann Besatzung betrieben werden. In der Neuzeit diente sie nicht nur als Frachtschiff, sondern auch als Seeräuber- und Kriegsschiff. In frühen Darstellungen des Suezkanals finden sich oft Abbildungen von Feluken neben Dampfschiffen. Dabei symbolisieren sie die „traditionelle“ ägyptische Schifffahrt und bilden einen Kontrast zur Modernität der europäischen Dampfschifffahrt.
  • Ferman

    Im Osmanischen Reich stellten Fermane ein zentrales Herrschaftsinstrument dar: Sie regelten rechtliche, administrative, wirtschaftliche und religiöse Angelegenheiten und besaßen höchste Rechtskraft. In Ägypten, das im 19. Jahrhundert zwar formal Teil des Osmanischen Reiches war, faktisch jedoch weitgehend autonom von den Vizekönigen (Walis, später Khediven) regiert wurde, spielten Fermane eine bedeutende Rolle auch für europäische Expeditionen. Zahlreiche Forschungs- und Sammelreisen – darunter die Vermessungsarbeiten für den Suezkanal durch österreichische Ingenieure im Jahr 1847 – stützten sich auf von den Vizekönigen ausgestellte Fermane. Diese Urkunden dienten nicht nur der Legitimation gegenüber lokalen Behörden und Militärs, sondern ermöglichten beispielsweise im Bereich archäologischer Ausgrabungen auch die Überführung von Fundstücken nach Europa. 

    Auch in anderen islamisch geprägten Reichen, etwa im Mogulreich in Indien oder im Safawiden- und Kadscharenreich in Persien, wurden vergleichbare Urkunden verwendet. Das türkische Wort Ferman ist ins Deutsche übernommen worden und geht seinerseits auf das persische Wort Farmān zurück, das „Befehl“ oder „Erlass“ bedeutet.
  • Fez (Kopfbedeckung)

    Der Fez (auch Fes) ist eine aus Filz gefertigte Kopfbedeckung in Form eines kurzen, zylindrischen, spitzenlosen Hutes, in der Regel rot gefärbt und mit einer schwarzen Quaste versehen. Er hat seinen Ursprung in Marokko und wurde nach der Auflösung des Janitscharenkorps im Jahr 1826 von Sultan Mahmud II. als offizielle Kopfbedeckung für die neu aufgestellte Armee sowie für den öffentlichen Dienst im Osmanischen Reich eingeführt. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Fez zu einem zentralen Symbol osmanischer Kleidung und erlangte breite gesellschaftliche Verbreitung. Darüber hinaus fand er auch militärische Verwendung, etwa in den Uniformen griechischer und albanischer Truppen, der bosnisch-herzegowinischen Infanterie der k. u. k. Armee sowie in den Kolonialtruppen Italiens in Somalia und Eritrea.
  • framing

    Framing bezeichnet den Prozess, bei dem Ereignisse, Themen oder Aspekte einer wahrgenommenen Realität ausgewählt, hervorgehoben und in spezifische Deutungsmuster oder Narrative eingebettet werden. Dadurch werden nicht nur Informationen strukturiert, sondern auch Problemdefinitionen, Ursachenzuschreibungen, moralische Bewertungen und Handlungsempfehlungen nahegelegt. Framing verdeutlicht, dass Darstellungen nie vollständig neutral oder objektiv sind, sondern stets durch die Perspektiven, Interessen, Werte und Paradigmen der Akteur:innen geprägt werden und es beeinflusst, wie Menschen Situationen wahrnehmen, interpretieren und darauf reagieren.
  • Fremdbezeichnung

    Eine Fremdbezeichnung ist ein Name, den eine Gruppe für eine andere Gruppe verwendet, ohne dass diese ihn selbst gewählt hat. Viele Fremdbezeichnungen sind in historischen Kontexten entstanden, die von Machtungleichheiten, Vorurteilen oder kolonialer Fremdwahrnehmung geprägt waren. Daher werden Begriffe wie Indianer (als Bezeichnung für indigene Bevölkerungsgruppen Amerikas) oder Eskimo (als Bezeichnung für indigene Menschen in arktischen und subarktischen Räumen) heute oft als diskriminierend verstanden. Viele Fremdbezeichnungen sind fester Bestandteil unserer Sprache, oft ohne Bewusstsein über ihre problematische Herkunft. Auch wenn Fremdbezeichnungen von vielen Gruppen als diskriminierend abgelehnt werden, gibt es Ausnahmen: Manche Gruppen eignen sich solche problematischen Begriffe im Sinne von Selbstermächtigung (Empowerment) an und „erobern“ sie sprachlich zurück (Reclaiming). Heute gilt es als Standard, die von (historisch) diskriminierten Gruppen selbst gewählten Bezeichnungen zu verwenden, um Respekt auszudrücken.